Mehr als hunderttausend bei friedlichen Demos

Protesttag pro und contra Orban

Zehntausende Menschen haben am Nationalfeiertag für Ministerpräsident Viktor Orban, andere zehntausende zugleich gegen ihn demonstriert. Orbans Befürworter sprachen von einer ungerechten Behandlung der EU und von einer Kampagne der Linken in Europa, seine Gegner warfen ihm Machtzementierung und Demokratieabbau vor.

Morgenjournal, 16.3.2012

Aus Budapest berichtet Ernst Gelegs

Orban lässt sich feiern

Mehr als 100.000 Kundgebungsteilnehmer jubeln, als Ministerpräsident Viktor Orban die Bühne vor dem Parlament betritt. Sie schwingen ungarische Nationalfahnen und halten Transparente hoch, die Orban huldigen. Er genießt sichtlich die begeisterte Menschenmasse und das rot-weiß-grüne Fahnenmeer.

Beistand aus Polen

Unter den Jubelnden ist auch eine große Gruppe aus Polen, die Solidarität mit Orban demonstriert. Ihre Reise nach Budapest ist von der ultra-rechten Wochenzeitung "Gazeta Polska" organisiert worden, Sprachrohr des nationalkonservativen Oppositionsführers und ehemaligen polnischen Premierministers Jaroslaw Kaczinsky. In seiner Zeit als Regierungschef, in den Jahren 2006 und 2007, versuchte Kaczinsky mit harter Rhetorik gegen die EU zu punkten.

"Wir werden Recht behalten"

Orban spart nicht mit Kritik an der EU, die Ungarn 500 Millionen Euro Fördergelder auf Eis gelegt hat, weil das Budgetdefizit auszuufern droht. Schwer im Magen dürften ihm auch die von der EU eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren liegen, weil er nach Auffassung der EU die Unabhängigkeit demokratischer Institutionen systematisch beschneidet. Doch Ministerpräsident Viktor Orban zeigt sich bei seiner Kritik an der EU im Ton gemäßigt:
"Die Eurobürokraten schauen uns schief an, weil wir neue Wege gehen. Doch ich sage euch, am Ende werden wir Recht behalten."

Orbans Wirtschaftspolitik wird von vielen Experten als "unkonventionell" bezeichnet. Man könnte sie auch als latent ausländerfeindlich und protektionistisch beschreiben, Beispiele dafür gibt es zu Hauf. Doch Orban macht deutlich, dass er seinen Wirtschaftskurs nicht zu ändern gedenkt: "Wenn wir nicht rechtzeitig handeln, wird am Ende Europa zur Kolonie des modernen Finanzsystems werden."

Friedliche Gegendemo

Nicht alle sind von Orbans nationalkonservativer Politik begeistert. Rund 100.000 Orban-Kritiker haben sich vor der Elisabeth-Brücke versammelt, um gegen Machtzementierung und Demokratieabbau zu protestieren. Eine Demonstrantin sagt: "Der Rechtsstaat wird durch Orban-Gesetze praktisch abgeschafft." Bereits auffallend ist, wie die der Orban-Regierung nahestehenden Medien versuchen, die Demonstration herunterzuspielen. Die ungarische Nachrichtenagentur MTI meldete, dass lediglich einige zehntausend Menschen zur Anti-Orban-Demo gekommen seien. Abgesehen von einer Störaktion der Rechtsradikalen vor dem Budapester Bankenzentrum sind die Demonstrationen friedlich verlaufen.