Neuer Roman "Planet Wermut"

Oksana Sabuschko in Wien

In ihrer ukrainischen Heimat ist Oksana Sabuschko ein Star. Ihr Roman "Feldstudien über ukrainischen Sex" avancierte Ende der 1990er Jahre zur "Bibel des Feminismus", ihr monumentales Werk "Museum" wurde anno 2009 als Nationalepos gefeiert, als erstes Panorama der ukrainischen Nachkriegsgeschichte.

Beide Bücher gibt es auch in deutscher Übersetzung. Und es gibt einen neuen Essayband, den Sabuschko am Abend des 20. März 2012 in der Wiener Hauptbücherei präsentiert - bei einer Lesung und im Gespräch mit ihrem österreichischen Kollegen Martin Pollack. Der Titel: "Planet Wermut".

Mittagsjournal, 20.03.2012

"Wermut - das heißt auf Ukrainisch Cornobyl, das erste ukrainische Wort, dass man auf allen Kontinenten kennenlernte, fünf Jahre bevor auf der Landkarte Europas das Wort 'Ukraine' erschien", schreibt Oksana Sabuschko und sie erklärt, warum die atomare Katastrophe der Anfang der ukrainischen Unabhängigkeit war. Und das Ende des Sowjetimperiums.

Oksana Sabuschko schreibt über Tschernobyl und Totalitarismus, über die Vernichtung der ukrainischen Intelligenzia und den "Holodomor" - Stalins Hungerholocaust, dem Millionen Menschen zum Opfer fielen. Mit dem Holodomor, sagt Oksana Sabuschko, legte Stalin in der Ukraine den Grundstein für das heutige Problem der Korruption: Wenn du überleben willst, lernten die Bauern, musst du aus der Kolchose stehlen.

"Die Ukraine ist der Modellfall für Korruption", meint Sabuschko. "Der ukrainische Staat - ein dysfunktionaler Staat - besteht ausschließlich aus Korruption. Eine korrupte Gesellschaft, korrupte Moral, korrupte Politik, korrupte Medien. Bleibt die Frage: Wie kann sich ein einzelner in dieser Umgebung der Korruption widersetzen?"

Die neuen moralischen Autoritäten

Eine Politikverdrossenheit der Bevölkerung diagnostizieren westeuropäische Medien, wenn sie über die Ukraine schreiben - eine Fehleinschätzung meint Oksana Sabuschko: "Die Menschen sind nicht politikverdrossen, die Menschen haben nur genug von den Politikern, die sie täglich tonnenweise mit populistischen Lügen zuschütten, sie haben genug von dieser gescheiterten Politik."

Diesen Überdruss sieht Oksana Sabuschko als Teil eines politischen Reifeprozesses der ukrainischen Gesellschaft. Die Menschen beginnen, sich selbst zu organisieren, sagt sie: "Deshalb sind auch Autoren und Autorinnen wie ich derzeit sehr beschäftigt. Wir sind die neuen moralischen Autoritäten. Jeden Tag gibt es neue Initiativen, die Unterstützung wollen. Ständig bekomme ich Anfragen mit Petitionen, man will einen Kommentar und so weiter, es ist nicht leicht."

Als unabhängige Intellektuelle lebt sie gern in der Ukraine, sagt Oksana Sabuschko, als "junge Demokratie" sei das Land ein wunderbares Biotop für Schriftsteller.

Ein paar Wünsche hat sie allerdings schon: "Ich hätte gern, dass das Leben in der Ukraine weniger interessant ist, besser organisiert, und ich hätte gern mehr Raum für Rückzug und ungestörte Konzentration auf die Arbeit."

Service

Oksana Sabuschko, "Planet Wermut", aus dem Ukrainischen übersetzt von Alexander Kratochvil, Droschl Verlag

Droschl Verlag - Oksana Sabuschko