Die Stelen zerbröckeln

Berliner Holocaust-Mahnmal droht Verfall

Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin, kurz Holocaust-Mahnmal genannt, ist eine der meist besuchten Sehenswürdigkeiten in der deutschen Hauptstadt. Doch bereits zwei Jahre nach Eröffnung im Jahr 2005 haben einige der 2.700 Betonstelen Risse bekommen. Und seitdem wird darüber gestritten, wer für die Instandsetzung aufkommen muss. Jetzt droht das Mahnmal aber völlig zu verfallen.

Kultur aktuell, 14.04.2012

Vor sieben Jahren wurde es nach jahrelangem Streit über Standort und Ausführung feierlich eröffnet - das unweit des Brandenburger Tores gelegene Holocaust-Mahnmal, das vom amerikanischen Architekten Peter Eisenman entworfen wurde. Meist sehr beeindruckt zeigen sich seitdem Berlin-Besucher von dem 19.000 Quadratmeter großen Feld mit seinen insgesamt 2.711 dunkelgrauen Betonstelen, die für 27,6 Millionen Euro errichtet wurden.

Bereits nach etwas mehr als zwei Jahren begann der Beton in einzelnen Stelen Risse zu bekommen. Und seit damals gibt es wieder Streit. Wer muss die Verantwortung übernehmen, wer die Instandsetzung also bezahlen? Sind es die Witterungsbedingungen mit Schnee und Frost oder ist es ein Konstruktionsfehler, der die Risse in die Stelen treibt? Ein Beweisverfahren gegen die Baufirma wurde eröffnet, doch solange der Rechtsstreit nicht entschieden ist, wird auch keine grundlegende Restaurierung in Angriff genommen.

Harz-Injektionen halfen nicht

Inzwischen sind fast zwei Drittel der Stelen beschädigt, es fallen einzelne kleine Betonbrocken aus den Bauwerken, das Betreten des Mahnmales geschieht inzwischen auf eigene Gefahr, worauf erst kürzlich aufgestellte Tafeln hinweisen. Immerhin wiegt jede einzeln Stele zwischen acht und 16 Tonnen - und die Risse werden größer und tiefer.

Reparaturen mit Injektionen von Harz konnten keine Abhilfe schaffen; Anfang des Monats wurden versuchsweise an zwei Stelen hellgraue Eisenmanschetten angebracht, um ein komplettes auseinanderbrechen der Blöcke zu verhindern. doch die klaren Linien der Gänge zwischen den Stelen sind damit unterbrochen - die Bandagen wirken entstellend, so die Meinung der Besucher des Mahnmals.

Stahlmanschetten abgelehnt

Diese Woche hätten weitere fast 400 Stelen durch Stahlmanschetten gesichert werden sollen, doch in letzter Minute wurden die Baumaßnahmen gestoppt - ein neues Gutachten muss eingeholt werden um herauszufinden, wie groß die Schäden tatsächlich sind. Eine schnelle Lösung ist jedenfalls nicht in Sicht, am 8. Mai erst kommt das Kuratorium zu einer Krisensitzung zusammen.

Sogenannte Wachschützer achten darauf, dass die Würde des Holocaust-Mahnmals gewahrt bleibt - während sich das Memorial gleichzeitig durch den bröckelnden Beton zunehmend zum Steinbruch verwandelt.

Textfassung: Ruth Halle