Die Geschichte seiner Familie

Miklos Vajdas Romandebüt mit 81

Der ungarische Übersetzer und Literaturkritiker Miklos Vajda hat am Dienstag, 17. April 2012, in der Wiener Hauptbücherei sein Romandebüt präsentiert - im Alter von 81 Jahren. Unter dem Titel "Mutterbild in amerikanischem Rahmen" hat er vor drei Jahren die Geschichte seiner Familie aufgeschrieben und gleichzeitig einen Streifzug durch die ungarische Zeitgeschichte unternommen.

Kultur aktuell, 18.04.2012

"In letzter Zeit habe ich das Gefühl, sie steht mir näher, seitdem sie nicht mehr lebt", schreibt ein Sohn über seine Mutter, schreibt Miklos Vajda über Ödönne Vajda. 24 Jahre nach ihrem Tod hat er im Alter von 78 versucht, seiner Mutter nahezukommen. Und er erinnert sich: "Ich habe sie nie weinen gesehen".

Respekt für die Mutter

Miklos Vajda wurde von Gouvernanten erzogen, gelernt hat er Distanz und Respekt - Respekt für die Mutter, eine mondäne, noble Frau, die ihren jüdischen Mann, einen prominenten Anwalt, vor den Pfeilkreuzlern, den ungarischen Nationalsozialisten, verstecken musste. Später dann war sie selbst als Adelige im kommunistischen Ungarn als klassenfeindlich eingestuft, wegen angeblicher Verbreitung zersetzender Gerüchte wurde sie inhaftiert, 1956 flüchtete sie in die USA.

Der damals 25-jährige Sohn blieb zurück in Ungarn. "Ich konnte Europa nicht verlassen", so Vajda heute. "Es war die ungarische Kultur, die ungarische Literatur und die ungarische Sprache, die mich gehindert haben, auszureisen."

Sorgenvoller Blick auf Ungarn heute

Miklos Vajda hat als Verlagslektor gearbeitet, bis er anno 1958 bei einer politischen Säuberung seine Stelle verlor. Sechs Jahre lang war er arbeitslos und begann als Übersetzer zu arbeiten. Seine Entscheidung, im Land zu bleiben, habe er nicht bereut, sagt Miklos Vajda, trotz allem. Auf das Ungarn von heute blickt er mit Sorge:

"Ungarn ist in einem furchtbaren Zustand. Was jetzt gerade passiert, rückt das Land für Jahrzehnte an den Rand von Europa und ich werde es nicht mehr erleben, dass Ungarn wieder nach Europa zurückkehrt. Die Demokratie wird abgebaut, Ungarn wird wieder zu einem autokratischen, rückwärtsgewandten Land."

Die Opposition ist zersplittert, Korruption steht auf der Tagesordnung, und die regierende Fides-Partei arbeitet hinter den Kulissen mit den rechtsradikalen Jobbik-Abgeordneten zusammen, um Mehrheiten zu bilden, sagt Miklos Vajda.

"Die offizielle Propaganda in Ungarn sagt, dass die EU uns ausbeutet und wir Ungarn einen Freiheitskampf führen", so Vajda. "Was natürlich völlig lächerlich ist. Wir halten die Hand auf und wollen Geld und tun so, als müssten wir uns von Kolonialherren befreien. Viele fallen auf diesen Populismus herein - dieses 'Ungarn geht seinen eigenen Weg'. Und kaum einer fragt: Wie soll das möglich sein? Wie will sich ein Volk von zehn Millionen unabhängig von den Großen wie Deutschland und Frankreich behaupten?"

Textfassung: Ruth Halle

Service

"Mutterbild in amerikanischem Rahmen", der Roman von Miklos Vajda, ist in der Übersetzung von Timea Tanko im Braumüller Verlag erschienen.