Untersuchung in fünf Ländern

AI prangert Diskriminierung von Muslimen an

In Europa werden Musliminnen und Muslime aufgrund ihres Glaubens diskriminiert - zu diesem Schluss kommt ein neuer Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI). Im vergangenen halben Jahr hat Amnesty International den Alltag von Muslimen in fünf europäischen Ländern untersucht.

Mittagsjournal, 24.4.2012

Kopftuch - kein Job

Die Studie in Belgien, Frankreich, den Niederlanden, Spanien und der Schweiz macht deutlich, dass die Benachteiligung bis in das Bildungssystem und die Arbeitswelt reicht. Ein Beispiel: Am Telefon sei ihr der Job noch freundlich angeboten worden, erzählt eine junge muslimische Frau aus Belgien. Beim persönlichen Gespräch hätte man sie dann aber gebeten, ihr Kopftuch abzulegen - denn das könnte den Kunden missfallen, so die Begründung. Sie weigerte sich, den Job bekam eine andere. So oder ähnlich geht es offenbar vielen Musliminnen und Muslimen in Europa, wie der neue Bericht von Amnesty International aufzeigt. Muslimische Frauen werden wegen ihrer Kleidung nicht eingestellt, Mädchen mit Kopftuch am Besuch von Schulen gehindert. Muslimische Männer werden angefeindet, weil sie Bärte tragen.

Gesetzgeber gefordert

Viele Europäerinnen und Europäer wüssten gar nicht, dass auch sie diskriminieren und benachteiligen, sagt der Generalsekretär von Amnesty International Österreich, Heinz Patzelt: Niemand würde einer Nonne vorwerfen, sie sei eine "Problemperson, weil sie ihre Ordenstracht trägt". Doch nicht nur die Kleidung, auch die Essens- und Trinkgewohnheiten und die Diskussionen um den Bau von Moscheen und Minaretten seien in Europa ein Problem, sagt Patzelt. Ein besonders drastisches Beispiel ist da die Schweiz, die vor zweieinhalb Jahren bei einer Volksabstimmung ein Bauverbot für Minarette durchgesetzt hat. Hier liege es am Gesetzgeber, klare Regeln festzulegen, die für alle gleichermaßen gelten, sagt Patzelt. Sein Beispiel: religiöse Symbole in der Schule: "Das kann man menschenrechtlich so oder so beantworten. Entweder gar keine oder alle. Was sicher nicht geht ist zu sagen: Kreuz hängt, Halbmond hängt nicht. Oder: Das Kreuz hängt und der Davidstern hängt nicht."

Realität ist anders

Österreich wurde für den Bericht nicht untersucht, Heinz Patzelt ortet hierzulande aber ähnliche Probleme: "Es ist ganz schwierig, eine Moschee zu bauen, es wird als bedrohlich empfunden, wenn ein Minarett errichtet wird." Was die Sache aber gravierender mache, so Patzelt: "Der Islam ist in Österreich eine völlig gleichberechtigt gesetzlich anerkannte Religionsgemeinschaft. Und davon kann in der Realität natürlich keine Rede sein."

Gesetze allein sind zu wenig

In Ländern wie Belgien, Frankreich und den Niederlanden verbieten die Gesetze religiöse Diskriminierung zwar schon jetzt. Gesetze alleine helfen aber nicht, sagt Patzelt: Sie seine ein wichtiger Ausgangspunkt um "richtig" oder "falsch" festzustellen. Es brauche aber viel Bewusstseinsbildung, bis diese Spielregeln in der Bevölkerung ankommen. Und was es gar nicht brauche, sei, dass politische Gruppierungen Kleingeld machen und "gegen diese menschenrechtsadäquate Umgangsform hetzen". Solange das Thema Islam von den Parteien Europas aber auch Österreichs politisch benützt werde, könnten Musliminnen und Muslime nicht mit gleicher Behandlung rechnen, sagt Patzelt.

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