Ägyptischer Film "Kairo 678"

Thema: Sexuelle Belästigung

In Ägypten ist der Film "Kairo 678" bereits zwei Monate vor den Volksaufständen im vergangenen Jahr angelaufen. Der renommierte ägyptische Drehbuchautor Mohamed Diab erzählt darin von drei Frauen aus unterschiedlichen sozialen Schichten, die sich gegen sexuelle Belästigung - vor allem auch im öffentlichen Raum - zur Wehr setzen.

Der Titel des Films, "Kairo 678", ist dabei angelehnt an eine Buslinie, in der es immer wieder zu Übergriffen gekommen ist. Anfangs wegen "antipatriotischer Tendenzen" angefeindet, löste der Film in Ägypten eine breite öffentliche Diskussion zum Tabuthema sexuelle Belästigung aus. Ab Samstag, 28. April 2012, ist "Kairo 678" im Wiener Topkino zu sehen.

Kultur aktuell, 27.04.2012

"Unter euren Stühlen liegt ein weißes Blatt Papier", so Seba, die Selbstverteidigungskurse für Frauen organisiert. "Ich werde euch drei Fragen stellen", so die junge Frau weiter: "Wurdet ihr schon einmal sexuell missbraucht? Wie oft? Und wie habt ihr reagiert?"

Laut einer - in diversen Medien zitierten - Studie waren im Jahr 2008 80 Prozent der ägyptischen Frauen von sexueller Belästigung betroffen. Gesprochen hat darüber kaum jemand. Und auch die Ermittlungen der Polizei im Film beginnen erst dann, wenn eine der Frauen zusticht, den Mann, der sie belästigt, mit einem Messer verletzt.

Frauenfeindlichkeit überall

Mohamed Diab vermittelt in seinem Film "Kairo 678" dabei von der ersten Einstellung an ein Gefühl des permanenten Bedrängt-Seins der Frauen in den Straßen Kairos. Von frauenfeindlichen Liedern im Taxi bis hin zu sexuellen Übergriffen in den überfüllten Autobussen. Für Diab ein Symptom gesellschaftlicher Missstände:

"Es ist ein Symptom der Korruption, der wirtschaftlichen, politischen und sozialen Probleme, die wir haben. Wie kann es sein, dass die Scham, die Schande für die Frauen, die belästigt worden sind und darüber sprechen, größer ist, als jene für die Männer, die es getan haben? Die Frauen können - oder konnten - es niemandem erzählen, mit niemandem darüber sprechen. Dass es heute ein so großes Thema ist, liegt allein daran, dass viele Frauen nicht mehr schweigen, dass es nicht mehr alle leugnen."

Das Brechen des Schweigens

Eine der drei Frauen im Film geht zur Polizei, zeigt die Belästigung an und spricht im Fernsehen darüber. "Ein höchst kontroversielles Thema", so der Moderator. Eine Geschichte, basierend auf realen Ereignissen, geschehen im Jahr 2008. Damals war es das erste Mal, so Diab, dass eine Frau in Ägypten Anzeige wegen sexueller Belästigung erstattet habe und der Fall dann auch vor Gericht kam.

"Wie sollte ich etwas davon wissen, wenn meine Mutter, meine Schwester, meine Frau mir niemals davon erzählt haben", sagt Diab. "Ich habe dann 2008 mit meinen Recherchen begonnen - und was mir damals schon klar war: Es braucht einen Mann, um darüber zu sprechen. Dieser Film ist das Geständnis eines Mannes, dass das in unserer Gesellschaft passiert. Es ist ein Film über das Schweigen und das Brechen dieses Schweigens. Das hat mit der Revolution erst wirklich begonnen."

In mancher Hinsicht erinnert Diabs Film dabei an das mehrfach ausgezeichnete iranische Liebesdrama "Nader und Simin" von Asghar Farhadi. Beide Filme blicken unter die Oberfläche einer von religiösen Traditionen geprägten, patriarchalen Gesellschaft und deren oft problematischem Umgang mit Liebe und Sexualität. Wobei Diab das Thema auf weit emotionalere Art und Weise aufgreift, weit weniger streng in seiner formalen Herangehensweise ist. Am Ende von "Kairo 678" feiern die Frauen auf der Straße vor dem Gericht - Bilder, die aus heutiger Sicht an die Jubelstimmung auf dem Tahir-Platz im vergangenen Jahr erinnern.

Service

Ö1 Club-Mitglieder bekommen im Top Kino ermäßigten Eintritt (15 Prozent).

Topkino - Kairo 678