Mont St. Michel wird renaturiert

Zurück zur Natur

"Der Mont St.Michel ist für Frankreich das, was für Ägypten die Pyramiden sind. Daher muß man ihn vor jeder Zerstörung bewahren. Der Mont St. Michel muß eine Insel bleiben. Dieses Zusammenspiel von Natur & Kunst muß um jeden Preis erhalten werden." Das schrieb am 14.Jänner 1884 der französische Dichter Victor Hugo.

Damals schon begann die Atlantik-Bucht, in welcher der berühmte Glaubensberg liegt, zu verlanden. Mehr als 200 Jahre später soll nun endlich der ursprüngliche maritime Charakter des Mont St. Michel wieder hergestellt werden. Ein großangelegtes Projekt, an dem auch der in Paris lebende österreichische Architekt Dietmar Feichtinger beteiligt ist, gelangt dieser Tage in eine wichtige Bauphase.

2,5 Millionen von Touristen besuchen den aus dem Atlantik herausragenden Glaubensberg, dessen Grundstein im Jahr 708 auf einer Felsinsel in der Mündung des Flusses Couesnon gelegt worden sein soll. Aubert, dem damalige Bischof von Avranches, soll der Erzengel Michael erschienen sein, der ihm Anweisungen zu dem Bau einer Kirche auf dem Mont Tombe gab.

Die Legende erzählt, dass Aubert zunächst dachte zu träumen, doch als ihn der Erzengel mit seinem "doigt de feu" (Feuerfinger) antippte, entstand ein Loch in der Schädeldecke, und Aubert machte sich an die Arbeit. Auf dem 78 Meter hohen Felsen entstand eine Abtei, die beinahe noch einmal so hoch ist wie der Felsen selbst.

Verlandung durch Straßendamm gefördert

Im Jahr 1869 wurde ein Straßendamm errichtet, der den Mont St. Michel mit dem Festland verbindet. Dieser Damm trug schon damals maßgeblich zu der Verlandung der Bucht bei. Durch die Straße und den angegliederten Parkplatz wird die Zirkulation des Wassers in der Bucht gebremst und macht es somit unmöglich, dass der Glaubensberg stetig mit Wasser umspült wird.

1995 wurde ein ambitioniertes Renaturierungsprojekt ins Leben gerufen, um den maritimen Charakter des Mont Saint Michels auch für nachfolgende Generationen zu bewahren. Maßgeblich beteiligt an diesem Projekt ist der aus Bruck an der Mur stammenden, aber seit 20 Jahren in Paris lebende Architekt Dietmar Feichtinger.

Renaturierung zehn Jahre geplant

Die Regionen Bretagne und Basse Normandie sowie die Departements Manche und Ille-et-Vilaine haben sich zum "Syndicat Mixte Baie du Mont Saint Michel" zusammengeschlossen, das seit 2005 als Bauherr des großangelegten Vorhabens zur Renaturierung des Mont St. Michel fungiert. Davor lagen zehn Jahre der Planung. Bis zum Jahr 2015 sollen die Arbeiten abgeschlossen sein.

Der Informations-Pavillon, der in einem knallroten Container an der Mündung des Flusses Couesnon steht, ist die erste Anlaufstelle für Interessierte, die sich über die Baufortschritte informieren wollen.

Zwischen 2005 und 2009 wurde am Fluss Couesnon eine neue Stauanlage gebaut, die einerseits Überschwemmungen verhindert, andererseits es aber auch dem auslaufenden Wasser bei Ebbe erlaubt, die Sedimente wieder zu entfernen. Sandpartikel werden mit hohem Druck wieder zurück ins Meer expediert. Man geht davon aus, dass auf diese Weise an die 80 Prozent der Ablagerungen allein durch die hydraulische Kraft des Flusses aus der Bucht geschwemmt werden.

Neue Stauanlage

Auf dem neuen Gezeitendamm befindet sich eine Aussichtsplattform, die sich mit ihren hölzernen Planken wie ein Schiffsdeck präsentiert. Von hier aus hat man einen neuen ungewohnten Blick auf den Mont St. Michel, auf Ebbe und Flut und noch auf das Watt, auf dem Wanderer mit nackten Füßen spazieren. Auf dem Handlauf der Aussichtsplattform sind in Bronze die vier für die Schrift in Europa prägenden Alphabete eingraviert, Muscheln und diverse Wappen. Außerdem erfährt man hier einiges über die Funktionsweise der Anlage, die bereits mit dem französischen Ingenieurspreis "Grand Prix National de l'Ingénierie 2010" quasi als ein "Kunstwerk der Technik" ausgezeichnet wurde.

Auf Schautafeln, die im und vor dem Pavillon d'Information aufgestellt wurden, sind historische Bilder der einstigen Landgewinnung und aktuelle Fotos vom Bauverlauf des Gezeitendamms zu sehen. Im Pavillon sind Baupläne, Skizzen und Fotomontagen, wie das Gelände in der Zukunft - nach dem Bauende - aussehen wird, ausgestellt. Dazu erklärt im kleinen Kinosaal eine Filmdokumentation mit computeranimierten Bildern die ehemalige und künftige Situation an der Mündung des Flusses Couesnon.

Ein Teil der Informations-Ausstellung ist auch den Konsequenzen gewidmet, welche die neue Stauanlage am Fluss Couesnon und ihre ausgeklügelte Technologie auf die Umwelt haben wird. Experten gehen zum Beispiel davon aus, dass sich langfristig der Wasserstand in der Bucht um rund 70 Zentimeter erhöhen wird, so dass der Mont St. Michel über kurz oder lang wieder - wie einst - eine richtige Insel sein wird.

Parkplatz gesperrt

Gewaltige bauliche Eingriffe stehen allerdings noch an, die Bewohner, Hoteliers und Restaurant-Besitzer der Region haben noch nicht alles überstanden. Ende April 2012 wurde der 15 Hektar große Parkplatz am Fuß des Mont St. Michel, den es seit den 1950er Jahren dort gab, gesperrt und auf das etwa zweieinhalb Kilometer entfernte Festland verlegt. Rund 45.000 Bäume und Sträucher werden auf dem neuen Parkplatz gepflanzt, damit etwa 4.000 Fahrzeuge möglichst unauffällig untergebracht werden können, denn künftig soll sich keine Blechlawine mehr über den Straßendamm zur Insel wälzen.

Parkplatz und Damm werden abgebaut, stattdessen wird eine schlanke, elegante Brücke in einem großzügigen Bogen das Festland mit dem Mont St. Michel verbinden. Diese Brücke hat der aus Österreich stammende Architekt Dietmar Feichtinger entworfen. Die Bauarbeiten dazu haben bereits begonnen.

Dietmar Feichtinger, der seit 1989 in Paris lebt, hat neben Wohnbauten, Schulen und Krankenhäusern schon mehrere Brücken gebaut und Auszeichnungen dafür erhalten: die Passerelle de Simone de Beauvoir in Paris, eine Fußgängerbrücke, welche die neue französische Nationalbibliothek mit dem Park von Bercy verbindet, die Broktor-Hafenbrücke, die von der Hamburger Altstadt zur neuen Hafencity führt, sowie die Dreiländerbrücke in Weil am Rhein. Und jetzt eine Brücke, die einen leicht nach Osten verschobenen Damm verlängern und 760 Meter weit über das Wasser bis zur Befestigungsanlage der Felsinsel führen wird.

Nur mehr zu Fuß erreichbar

Ab sofort wird man sich für die Anreise zum Mont St. Michel etwas mehr Zeit nehmen müssen als jetzt. Dann steigt man ja nicht mehr direkt am Fuße des Berges aus dem Auto oder Reisebus, sondern muss die zweieinhalb Kilometer vom neuen Parkplatz auf dem Festland auf andere Art überwinden. Entweder spazieren die künftigen Besucher zu Fuß über die neue Brücke, benützen die sogenannten "Maringotes" - das sind Doppeldeckerkutschen, die jeweils von zwei Pferden gezogen werden sollen - oder lassen sich mit einem elektrobetriebenen Pendlerbus transportieren.

Eine besondere Pendlerbahn bleibt ausschließlich Behinderten, Einwohnern und Angestellten des Glaubensberges vorbehalten. Alle Passagiere verlassen laut Plan die unterschiedlichen Transportmittel 350 Meter vom Mont St. Michel entfernt, damit der Zugangswall ausschließlich von Fußgängern betreten werden kann. Dann wird es möglich sein, dieses nationale Monument Frankreichs wieder in seinem ursprünglichen Zustand zu bewundern.

Übersicht

  • Reisen