Das Weltuntergangs-Triptychon

Der Weltuntergang bei Hieronymus Bosch

Wenn wir uns heute am Beginn des 21. Jahrhunderts Fragen nach den möglichen Überlebensmöglichkeiten der Menschheit stellen müssen, vergessen wir meistens eines: Schon viel früher haben sich manche ausgemalt, wie die Menschheit wohl ihr Ende finden wird. Zum Beispiel der niederländische Maler Hieronymus Bosch.

Hieronymus Bosch wurde um 1450 in 's-Hertogenbosch in den Niederlanden geboren. Der begnadete Maler entstammte einer Malerfamilie, er lebte in einer Zeit des ökonomischen Aufbruchs, der fürstlichen Machtpolitik und der Forderung nach religiöser und sittlicher Erneuerung.

Hieronymus Bosch hat ein faszinierendes Gesamtwerk hinterlassen, das sich einer absoluten Deutung entzieht, denn der Maler selbst hat keine Aufzeichnungen zu seinen Werken hinterlassen. Gerade einmal 25 Tafelbilder kann man ihm heute sicher zuschreiben.

Der Tag des Jüngsten Gerichts

Besonders ein Bild von Hieronymus Bosch ist besonders faszinierend: das Weltuntergangs/Weltgerichts-Triptychon, ein Flügelaltar, der den Tag des Jüngsten Gerichts abbildet. Selten zuvor war die Darstellung dieses Ereignisses so brutal gemalt worden wie bei Hieronymus Bosch. Beim Betrachten dieses Bildes muss man sich unweigerlich fragen: Ist die Menschheit noch zu retten? Dürfen wir noch Hoffnung auf Erlösung haben?

Menschen, die ihre Exkremente trinken müssen. Junge Knaben, deren nackte Fußsohlen mit glühenden Eisen wie Pferdehufe beschlagen werden und die durch überlebensgroße Fleischwölfe gedreht werden: Im Weltuntergangs-Triptychon von Hieronymus Bosch offenbart sich eine schaurig-schöne Welt. Allen voran nimmt man ein schier endloses Panorama einer zerklüfteten, düsteren Höllenlandschaft wahr, in der gequält und gefoltert wird. Und trotzdem schillern diese Grausamkeiten in ihren prächtigsten Farben.

Folterszenen und Strafaktionen

Die sieben Todsünden und die Menschheit, die für ihre Taten büßen muss: Das ist das Thema des Weltuntergangs-Triptychons von Hieronymus Bosch. Die Anhänger der "Gula", die sich zu Tode fressen müssen. Die Sünder des Geizes, der "Avaritia", die von Kröten-Köchinnen in einem höllischen Gasthaus aufgespießt und gebraten werden. Und die Wollust, der Hieronymus Bosch auch einen Platz auf dem Bild reserviert hat. Gleich über dem höllischen Gasthaus.

Die Folterszenen und Strafaktionen finden ihre optische Fortsetzung auf der rechten Seite des Tafelbildes, im sogenannten Höllenflügel: Dort richtet der Höllenfürst über die ihm zugeführten Sünder - in Gestalt einer schwarzen Ratte. Diese Vorstellung kommt nicht von ungefähr, denn der Tod hatte im ausgehenden Mittelalter eben dieses Antlitz.

Gute und schlechte Christen

Was war das für ein Maler, der eine derartig grausame Bildwelt geschaffen hat? Das Denken von Hieronymus Bosch war noch maßgeblich von einer feudalen Gesellschaftsordnung und kirchlichen Moralvorstellungen geprägt. Die Handlungen der Menschen sollten den Vorstellungen der damaligen Machthaber, dem Adel und Klerus, entsprechen. Gleichzeitig war es auch die Zeit der beginnenden Kirchenreformation und der Spaltung des westlichen Christentums - etwas, das sich auch im Bild von Hieronymus Bosch widerspiegelt.

Die Darstellung des Weltgerichts hat in der niederländischen Malerei eine lange Tradition. Maler wie Hans Memling beschäftigten sich in ihren Weltuntergangs-Triptychen aber vor allem mit der Darstellung der Macht Gottes und seinem vom Tode auferstandenen Menschensohn als Richter über die Menschheit: Christus, der die Seelen zwischen guten und schlechten Christen teilt. Bei Hieronymus Bosch ist jedoch die Hölle im Bildzentrum. Und er hat kirchenkritische Inhalte in sein Triptychon platziert: die "teuflischen Nonnen" etwa, die Wollust verursachen. Und "das Böse" ist bei ihm Teil des göttlichen Schöpfungsgedankens: Das grüne Paradies ist in seinem Bild von Teufelskreaturen kontaminiert. Erlösung sucht man auf dem Tafelbild - beinahe - vergeblich.

Text: Alexandra Augustin

Service

Wikipedia - Detailliertes Foto des Weltuntergangs-Triptychons
Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste