Arthur Schnitzler zum 150. Geburtstag

Subtiler Psychologe

Mit Gustav Klimt hat er nicht nur das Geburtsjahr, sondern auch die Herkunft gemein: Wien feiert in diesem Jahr den 150. Geburtstag Arthur Schnitzlers. Die deutschsprachige Theatergemeinde feiert mit.

Geschrei und Gebrüll in den Logen, Bänke und Sessel fliegen durch den Zuschauerraum: Zimperlich ging das Wiener Publikum nicht um mit dem Dramatiker Arthur Schnitzler. Sein "Reigen" stieß bei der ersten Aufführungsserie in seiner Heimatstadt 1921 auf so wenig Gegenliebe, dass die Bühnenarbeiter zu Wasserschläuchen griffen, um den Tumult aufzulösen.

"Der Reigen" war nicht das einzige Stück Schnitzlers, das einen Skandal und Prozesse auslöste. Heute ist das Werk des Wieners Dauerbrenner auf deutschsprachigen Bühnen. Am 15. Mai vor 150 Jahren wurde Schnitzler geboren.

Der Gesellschaft einen Spiegel vorgehalten

In seinen Dramen und Erzählungen hielt Schnitzler der Gesellschaft an der Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert den Spiegel vor. Angeregt von neuen Erkenntnissen der Psychologie, die mit Sigmund Freud ebenfalls in Wien zu Hause war, nahm der Sohn aus großbürgerlichem jüdischen Haus die Motivationen menschlichen Tuns und die unterschwelligen Konflikte im Zusammenleben unter die Lupe.

Seine Dissertation verfasste Schnitzler über Hypnose, mit Sigmund Freud, der etwa gleichzeitig Medizin studierte, verband ihn auch später wohlwollender Austausch und das gemeinsame Interesse am Unterdrückten. "So habe ich den Eindruck gewonnen", schrieb Freud zu Schnitzlers 60. Geburtstag, "dass Sie durch Intuition - eigentlich aber in Folge feiner Selbstwahrnehmung - alles das wissen, was ich in mühseliger Arbeit an anderen Menschen aufgedeckt habe."

Freuds Annahmen zur Traumdeutung interessierten ihn ebenso wie die Vorstellung des Unbewussten - wenn er auch stets in kritischer Distanz dazu blieb und vor Spekulation warnte. Schnitzler studierte Medizin und assistierte einem damals bekannten Psychiater. Gleichzeitig entwickelte er großes schriftstellerisches Interesse und fand schnell Aufnahme im richtungsweisenden Wiener Literatenzirkel um Hermann Bahr.

Verbotener "Professor Bernhardi"

Schon bald verband Schnitzler beide Begabungen. Mit dem Schauspiel "Der einsame Weg", das 1904 uraufgeführt wurde, oder der Tragikomödie "Das weite Land" (1911) schuf er Gesellschaftsdramen, in denen er menschliche Motive analysierte. Er zeigte die Sexualität als primären Handlungsantrieb seiner Figuren, offenbarte Unterschwelliges und stieß damit die bürgerliche Welt vor den Kopf.

Seine Novelle "Leutnant Gustl" von 1900 wurde literarisch bahnbrechend und ist durchgehend als innerer Monolog der Hauptfigur konzipiert. Schnitzler griff darin den gültigen militärischen Ehrenkodex an und schuf sich so neue Feinde. Das Drama "Professor Bernhardi" wiederum, das 1912 in Berlin uraufgeführt wurde, rückt den aufkeimenden Antisemitismus ins Zentrum und gestaltet aus dem moralischen Dilemma seiner Hauptfigur Schnitzlers politischstes Stück.

In seiner Heimat blieb das Stück bis zum Zerfall der Donaumonarchie 1918 verboten und wurde auch dann heftig kritisiert. Dabei offenbarte die Kritik der Zeitgenossen zunehmend antisemitische Züge, während sich Schnitzler selbst in einer Briefnotiz "keineswegs als einen jüdischen Dichter, sondern als einen deutschen Dichter" definierte.

Der Siegeszug des Antisemitismus blieb Schnitzler knapp erspart: Schon nach dem Selbstmord seiner Tochter Lili im Jahr 1928, die er nach der Scheidung von seiner Frau Olga Gussmann allein aufgezogen hatte, war Schnitzler tief erschüttert. Am 21. Oktober 1931 starb er 69-jährig an einer Hirnblutung. Sein Ehrengrab im alten israelitischen Teil des Wiener Zentralfriedhofs befindet sich neben Friedrich Torberg und Gerhard Bronner.