Der weltberühmte Lied-Interpret starb 86-jährig

Dietrich Fischer-Dieskau ist tot

Der Sänger Dietrich Fischer-Dieskau ist tot. Er starb am Freitag im bayerischen Berg bei Starnberg kurz vor seinem 87. Geburtstag, wie seine Frau, die Sopranistin Julia Varady, mitteilte. Fischer-Dieskau galt als der wahrscheinlich bedeutendste Vertreter des romantischen Liedgesangs des vergangenen Jahrhunderts.

Kulturjournal, 18.05.2012

Nachruf von Dorothee Frank

Wegbereiter des deutschen Liedes

"Jahrhundertstimme, Balsamico-Bariton, greatest living Liedsinger": Kaum ein Sänger aus Deutschland hat so viele Platten aufgenommen und solche Bewunderung geerntet wie Dietrich Fischer-Dieskau. Der lyrische Bariton galt als eine der großen Künstlerpersönlichkeiten der Nachkriegsgeschichte. Erfolg hatte er vor allem mit einer unzeitgemäßen Gattung - dem deutschen Lied.

Für diese lyrische Kunstform aus der Romantik, bei sich der Sänger in Klavierbegleitung vor dem Flügel postiert, hatte der Berliner ein Millionenpublikum gewonnen. Mehr als 3.000 Lieder hatte er in seinem Repertoire. Liedsängern wie Thomas Quasthoff oder Christian Gerhaher hat Fischer-Dieskau den Weg in Konzertsäle und zu Plattenaufnahmen geebnet.

Es war vor allem Fischers-Dieskaus Ernst auf dem Podium, dieses Kokettieren mit der Tragik, mit dem der Sänger so etwas wie ein deutscher Kulturbotschafter wurde. In seinen legendären Aufnahmen von Franz Schuberts "Winterreise" oder in Liedern Carl Löwes schimmerte jene Tiefgründigkeit durch, die weltweit gerne als urdeutscher Wesenszug gedeutet wird.

Mehr als nur Lieder

Fischer-Dieskau leitete einen Paradigmenwechsel in der Gestaltung von Liederabenden ein. Nicht mehr die Abwechslung von fröhlichen und düsteren Stücken stand im Mittelpunkt, sondern komplette Zyklen, etwa die "Winterreise" oder die "Schöne Müllerin". Sie zählen wie die Interpretation der Lieder Gustav Mahlers zu den bekanntesten Einspielungen der klassischen Musik überhaupt.

Der in Berlin geborene Sänger stand aber ebenso oft auf der Opernbühne - als Wolfram von Eschenbach in "Tannhäuser" oder als Papageno in der "Zauberflöte", er gab den Grafen Almaviva in "Figaros Hochzeit" und den Ottokar im "Freischütz". Insgesamt gibt es mehr 400 Schallplatten von Fischer-Dieskau.

Karrierestart nach dem Krieg

Noch in der Schulzeit hatte der Sohn eines Altphilologen und einer Pianistin mit einer Darbietung der "Winterreise" 1943 im Berliner Rathaus Zehlendorf seinen ersten Auftritt. Nach dem Hochschulstudium sprang er 1947 ohne Probe für einen erkrankten Solisten im "Deutschen Requiem" von Brahms in Badenweiler ein. Schon im Herbst des darauffolgenden Jahres wurde er als erster lyrischer Bariton an der Städtischen Oper Berlin verpflichtet.

Besonders Fischer-Dieskaus enorme Bandbreite bei den oft zarten Schattierungen seiner Interpretationen begeisterte die Zuhörer. Es war vor allem die Verbindung von sprachlicher und musikalischer Genauigkeit, der für jeden Zuhörer verständliche Gesangstext, aber auch seine Leidenschaft, mit der sich Fischer-Dieskau einen weltweiten Namen erwarb. Ab 1954 war er ständiger Gast bei den Wagner-Festspielen in Bayreuth.

Große Wegbegleiter

Neben seinen Opernauftritten legte Fischer-Dieskau bald den Schwerpunkt seines Schaffens auf die Liedinterpretation, insbesondere auf Schuberts Werke. 1948 spielte er erstmals die "Winterreise" ein, von der später weitere acht Aufnahmen auf den Markt kamen. Der Brite Gerald Moore war dabei sein kongenialer Klavierbegleiter, mit dem Fischer-Dieskau zum vielleicht bedeutendsten Vertreter des romantischen Liedgesangs wurde. Liedklassiker wie "Die schöne Müllerin" oder Mahlers "Kindertotenlieder" erreichten als Platten hohe Auflagen.

Ob Wolfgang Sawallisch, Daniel Barenboim oder Christoph Eschenbach - Fischer-Dieskau standen auch immer große Dirigenten zur Seite. Zahlreiche Komponisten wie Benjamin Britten, Luigi Dallapiccola, Gottfried von Einem, Hans Werner Henze und Aribert Reimann schrieben für ihn Opernrollen, Oratorien-Partien und Lieder. Eng verbunden blieb Fischer-Dieskau mit der Deutschen Oper Berlin und den Salzburger Festspielen. Als Musikschriftsteller schrieb er unter anderem über "Wagner und Nietzsche", die Monografie "Robert Schumann" sowie mehrere Erinnerungsbände.

Nach mehr als 45 Jahren Konzerttätigkeit zog sich der Sänger 1993 von den Bühnen zurück und widmete sich verstärkt seinem Hobby, der Malerei.