Experte: Achse Berlin-Paris stärker als vorher

"Merkollande" wichtiger als "Merkozy"

Mit dem Präsidentschaftswechsel in Frankreich ist die deutsch-französische Achse nicht zerbrochen - im Gegenteil, sagt der Direktor des renommierten Center for European Policy Studies, Daniel Gros. Nach dem Ende von "Merkozy" werde die deutsch-französische Ache wichtiger als vorher, so Gros im Ö1 Interview.

Morgenjournal, 23.5.2012

Ernst Kernmayer hat in Brüssel mit dem Direktor des Center for European Policy Studies, Daniel Gros, gesprochen.

Kompromisse für die ganze EU

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der frühere französische Präsident Nicolas Sarkozy hätten nur einen Standpunkt dargestellt, erläutert Gros. Die anderen Länder hätten sich darin nicht wiedergefunden. Merkel und Hollande müssten nun einen Kompromiss finden, der auch ein Kompromiss für die EU sei.

Projektbonds: Keine Verlierer

Der EU-Experte glaubt auch nicht, dass das Thema Eurobonds zu einem unüberbrückbaren Streitpunkt wird. Hollande habe zwar viel über Eurobonds geredet, wenn man genau hinhöre, aber eher Projektbonds gemeint. Und solche Projektanleihen sollte es nun auch bald geben. Gros: "Solche Anleihen würden es Hollande erlauben, zurückzukehren und zu sagen, es gibt die Bonds. Und Frau Merkel könnte sagen, es gibt keine Eurobonds. Und beide hätten recht und könnten zufrieden sein." Allerdings könne Wachstum nicht in Brüssel beschlossen werden, gibt Gros zu bedenken. Die Wachstumskräfte müssten auf nationaler Ebene freigesetzt werden.

Problematische Kapitalflucht

Was Griechenland betrifft, meint Gros, das Land könne sich nur selbst im Euro halten, wenn es Reformanstrengungen treffe: "Von Europa kann nur das Signal kommen: Wir werden euch nicht rauswerfen, wenn ihr das tut, was ihr versprochen habt." Die größte Gefahr sei die Kapitalflucht aus Griechenland. Wenn sie weiter so langsam verläuft, könnte das Problem beherrschbar sein, meint der Experte. Sollte es aber zu einer Panik kommen, und alle Griechen ihr Geld auf einmal abheben, dann wäre das eine schwierige Situation: "Entweder die EU schließt die griechischen Banken vorübergehend und rüttelt damit an einem Grundprinzip der EU, nämlich der freien Verfügbarkeit von Geldern über Grenzen hinweg. Oder Griechenland wäre wohl nicht weiter im Euro zu halten."