"The Paperboy" und "On The Road"

Neuigkeiten aus Cannes

Nicole Kidman und John Cusack haben in Cannes für Starrummel gesorgt. Sie waren in ungewohnten Rollen im dunklen Südstaaten-Thriller "The Paperboy" zu sehen. Außerdem wurde an der Croisette die lange erwartete Verfilmung von Jack Kerouacs Roman "On The Road" präsentiert, ein Buch das bis heute als "Bibel" der Beat-Generation gilt.

Kultur aktuell, 25.05.2012

Blitzlichtgewitter am roten Teppich beim Auftritt von Nicole Kidman. In "The Paperboy" spielt sie ein mit wilder, platinblonder Perücke und falschen Wimpern herausgeputztes Flittchen, das sich in einen verurteilten Mörder, gespielt von John Cusack, verliebt. Das abgründige Verhältnis der beiden kulminiert in heftigen Sex-Szenen. Nicole Kidman: "John und ich haben uns als unsere Figuren getroffen. Wir haben vor dem Dreh nicht ein einziges privates Wort miteinander gewechselt. Ich wollte diese Rolle spielen, die roher und gefährlicher war als all meine bisherigen."

Der Film spielt 1969 und zwei junge Reporter versuchen, die Unschuld des vermeintlichen Mörders zu beweisen. Sein blutiges Hemd sei kein Beweisstück, erzählt der Verurteilte, als Krokodiljäger in den Sümpfen Floridas sei jedes seiner Hemden blutig.

Zu Beginn des Films herrscht noch ein lockerer und humorvoller Ton, doch dann mehren sich die Hinweise, dass die Figuren geheime Abgründe zu verbergen haben. Bei der Gestaltung der Rollen konnte Regisseur Lee Daniels auf die eigene tragische Familiengeschichte zurückgreifen: "Ich kenne die Figur von John genau. Mein Bruder ist wegen Mordes im Gefängnis gesessen und wie im Fall der Kidman-Figur hat auch er Briefe von Frauen bekommen, die sich in ihn verliebt haben."

Verfilmter Beat-Roman

Mit seinem Roman "On The Road", auf Deutsch "Unterwegs", hat Jack Kerouac 1957 Literaturgeschichte geschrieben. Auf Reisen durchs Land hat er die Bigotterie der Nachkriegs-USA schonungslos aufgedeckt und sämtliche sexuellen Tabus der damaligen Zeit gesprengt. Die Auflehnung einer ganzen Generation fand in diesem Buch ihre Stimme.

Schon vor mehr als dreißig Jahren hat sich Francis Ford Coppola die Produzentenrechte für "On The Road" gesichert. Der Brasilianer Walter Salles hat den Roman jetzt schließlich nach noch einmal langer Vorarbeit verfilmt: "Ich habe zur Vorbereitung eine Dokumentation gedreht. Fünf Jahre lang bin ich immer wieder den Spuren des Romans gefolgt. Die Figuren aus dem Roman haben ja alle reale Vorbilder und ich habe sie, sofern sie noch am Leben waren, interviewt. Ich habe aber auch mit Künstlern wie David Byrne und Wim Wenders gesprochen, die stark von den Büchern der Beat-Literaten beeinflusst waren."

In den Hauptfiguren des Films lassen sich unschwer der Dichter Allan Ginsberg, der schießwütige William Burroughs und als Ich-Erzähler Jack Kerouac erkennen. In die Rolle von Burroughs schlüpfte übrigens Viggo Mortensen, der zuletzt als Sigmund Freud in "Eine dunkle Begierde" zu sehen war: "Wegen der derzeit herrschenden Ängste und Unsicherheit, auch ausgelöst durch die Finanzkrise, ist unsere Gegenwart ähnlich konservativ wie das Amerika der 50er Jahre. Wie damals die Beat-Generation, so lehnen sich auch heute junge Leute gegen Autoritäten auf und dagegen etwa, dass Regierungen für die Schulden ihrer Banken aufkommen. Das Erscheinen des Films kommt also zum richtigen Zeitpunkt."

Bei aller Mystifizierung, die "On The Road" umgibt, verleugnet Regisseur Walter Salles aber auch die Schattenseiten der Beat-Literaten nicht. Der selbstmörderische Umgang mit Drogen etwa oder die Unterdrückung der Frauen an ihrer Seite. Insgesamt ist da also ein stimmungsvolles Zeitporträt gelungen, das aber nicht an die Intensität von Michael Hanekes "Amour" heranreicht. Bei den Kritikern wird der Film des Österreichers noch immer als haushoher Favorit gehandelt.