Pilotprojekt für "unterstützte Entscheidungsfindung"

Sachwalterschaft: Novellierung vorstellbar

Nach der Forderung der Behindertenvertreter für die Abschaffung der Sachwalterschaft, haben sich die Behindertensprecher von SPÖ, ÖVP BZÖ und Grüne für eine Abschaffung bzw. eine Novellierung der Sachwalterschaften ausgesprochen. Schon kommendes Jahr könnte ein Pilotprojekt gestartet werden, das Sachwalter durch eine Gruppe von Bezugspersonen ersetzt.

Mittagsjournal, 4.6.2012

Sachwalterschaft gehöre novelliert

Ganz ohne Sachwalterschaft wird man auch in fernerer Zukunft nicht auskommen, sagt ÖVP-Behindertensprecher Franz-Josef Huainigg. Aber die Sachwalterschaft gehöre überdacht und novelliert in Richtung unterstützende Hilfen, sagt er. Vor allem junge Menschen mit einer Lern-Behinderung bräuchten keinen Anwalt, Notar oder Mitarbeiter eines Vereins mehr, der sich um ihre rechtlichen Angelegenheiten kümmert. Eine Gruppe von Bezugspersonen könne ihnen helfen, Entscheidungen zu treffen.

Buchinger für völlige Abschaffung

Für eine völlige Abschaffung der Sachwalterschaft tritt hingegen Erwin Buchinger, der Bundesbehindertenanwalt und ehemalige SPÖ-Minister ein. Er unterstütze diese Forderung. Die UN-Konvention sehe vor, dass nicht Entscheidungen für Behinderte getroffen werden, sondern dass man Menschen mit Behinderungen unterstützt, dass diese ihre Entscheidungen selbst treffen können.

Im SPÖ-Parlamentsklub gibt es allerdings noch keine Willensbildung in diese Richtung, sagt SPÖ-Behindertensprecherin Ulrike Königsberger-Ludwig. Über eine Weiterentwicklung der Sachwalterschaft müsse man allerdings schon reden.

Opposition für Novellierung

Für die Abschaffung der Sachwalterschaft ist hingegen FPÖ-Behindertensprecher Norbert Hofer. Er unterstützte diese Forderung vorbehaltlos, weil es immer mehr Menschen gebe, die entmündigt seien und keinerlei Möglichkeit hätten, selbst über ihr Leben zu entscheiden.

Vorbehaltlos für das Modell "unterstützte Entscheidungsfindung" spricht sich auch die Grün-Abgeordnete Helene Jarmer aus.

BZÖ-Justizsprecher Gerald Grosz hält Sachwalterschaften nur bei schweren Pflegefällen für nötig. Er kritisiert, dass von den Gerichten zu selten überprüft werde, ob eine Sachwalterschaft bei einem Betroffene überhaupt noch nötig sei.

Pilotprojekt geplant

Aus dem Büro von Justizministerin Beatrix Karl heißt es, man könne sich vorstellen, den Vorschlag von Behindertenanwalt Buchinger und ÖVP-Behindertensprecher Huainigg aufzugreifen und ein Pilotprojekt für die sogenannte "unterstützte Entscheidungsfindung" zu starten - frühestens im kommenden Jahr.

Karl sagt aber auch, dass man die Sachwalterschaften in Teilbereichen weiter brauchen werde. Dass die Zahl der Sachwalterschaften innerhalb von fünf Jahren angestiegen von 40.000 auf 60.000 sei, dementiert das Ministerium. Es gebe einen Anstieg, der - das sagt auch ÖVP-Sprecher Huainigg - sei aber vor allem auf die immer mehr älteren, pflegebedürftigen Menschen zurückzuführen, die tatsächlich einen Sachwalter brauchen würden.

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