Roman von Miklós Bánffy

Die Schrift in Flammen

Aus der ungarischen Literatur des 20. Jahrhunderts wurden in den letzten Jahrzehnten im deutschen Sprachraum etliche Autoren neu entdeckt - mehr als aus jedem anderen mitteleuropäischen Land. Miklós Bánffy ist dennoch eine Überraschung.

Sein fast 800 Seiten umfassender Roman "Die Schrift in Flammen" präsentiert eine Lebenswelt, wie sie uns ferner kaum sein könnte: den siebenbürgischen Adel im letzten Friedensjahrzehnt der Donaumonarchie. Ein breites und unglaublich detailgesättigtes Panorama von Umgangsformen, Konversationen, Liebesverhältnissen und Generationenbeziehungen wird ausgemalt, und dazwischen geht es immer wieder um Hintergründe der damaligen Politik, deren Persönlichkeiten ein Glossar im Anhang aufschlüsselt.

Siebenbürgen, eine eigene Welt

Aber warum soll uns ein Buch, das 1934 erschienen ist und in der Zeit von 1904 bis 1914 spielt, heute noch interessieren? Vor allem wegen der Sprache. Landschaften, aber auch die komplexe Dramaturgie einer großen Gesellschaft - das ist Bánffys Metier.

Dass das alles in Deutsch so gut kommt, dass diese bewusst und genau gearbeitete Sprache so selbstverständlich und ohne falsche Künstlichkeit fließt, das ist das Verdienst von Andreas Oplatka, der fast vier Jahrzehnte lang ein bekannter Politikredakteur war und selbst einige Bücher verfasst hat. Oplatka kannte Bánffys Roman bereits, als der Zsolnay Verlag bezüglich der Übersetzung an ihn herantrat; und nach der intensiven Arbeit daran ist er umso mehr fasziniert von diesem Buch.

Der Roman lässt deutlich spüren, dass Siebenbürgen eine eigene Welt war - und durchaus keine europäische Randzone wie heute; und dass der siebenbürgische Adel mit dem ungarischen Landadel, der Gentry, gar nichts zu tun hatte. Uralte Tradition - etwa ein Tanz aus der Biedermeierzeit, der nur mehr in Siebenbürgen gepflegt wurde - ging in diesem hochadeligen Milieu mit moderner Technik und neuesten englischen Möbeln Hand in Hand.

Mit Porträt des Autors

Ohne jeden moralischen Zeigefinger lässt der Roman den Glanz dieser faszinierend fremden Welt leuchten, zeigt aber auch die Schattenseiten: den brutalen Umgang mit Dienstmädchen oder die Ausbeutung der Bauern. Und Andreas Oplatka ist überzeugt: Der Roman ist auch ein Schlüssel, um das heutige Siebenbürgen und Ungarn zu verstehen, denn es sei ein "eminent politischer Roman auch".

In seinem Nachwort hat der Übersetzer Andreas Oplatka ein Porträt des Autors Graf Miklós Bánffy gezeichnet und die Verwobenheit von Fiktion und autobiografischen Elementen gezeigt. Bánffy war Politiker und brachte es 1921/22 sogar zum ungarischen Außenminister. 1926 kehrte er nach Siebenbürgen zurück, wo dann der Roman entstand, der auch Erfahrungen des Politikers verarbeitet.

Zuvor war Bánffy in den letzten Jahren der Monarchie, 1912 bis 1918, Intendant der Budapester Oper und des Nationaltheaters gewesen und hatte sich in dieser Funktion maßgeblich für Béla Bartók eingesetzt. Das verwundert insofern, als Bánffys Roman von der literarischen Moderne völlig unberührt scheint; mit ungarischen Zeitgenossen wie Dezsö Kosztolányi oder österreichischen wie Robert Musil hat er nichts gemein. "Die Schrift in Flammen" ist, wie Andreas Oplatka konstatiert, ein gewollt vormoderner Roman. Den Vergleich mit der Moderne der 30er Jahre findet er "ungerecht, weil das nicht angestrebt war".

Aussichtslose Liebe

Miklós Bánffy erzählt kontinuierlich und ohne moderne Erzähltechniken wie Montage oder Verfremdung. Durch den Roman führt ein auktorialer Erzähler, der nie den Überblick über das weite Panorama von Personen und Situationen verliert und jeder seiner Figuren in ihr Innerstes schauen kann.

Die Szenen gruppieren sich um die beiden Hauptfiguren, zwei junge Grafen - den Parlamentsabgeordneten Bálint Abády und den Musiker László Gyeröffy, die dieselbe Herkunft haben, sich aber in extrem unterschiedlichen Milieus bewegen. Beide sind in eine unglückliche Liebesgeschichte verstrickt - Abády mit einer verheirateten Frau, Gyeröffy mit der jungen Klára, deren Leben von ihrer hochadeligen - wie sich in diesem Roman von selbst versteht - Familie geregelt wird. Die Liebe ist in diesem Roman so dramatisch aussichtslos, wie sie es nur in einem Milieu sein kann, wo niemand, vor allem keine Frau, über das eigene Leben bestimmen kann.

Da diese Art von Liebesgeschichten mittlerweile in die Unterhaltungsliteratur und in triviale Filme abgesunken ist, ist dieser Strang des Romans von heute aus gesehen am problematischsten. Andreas Oplatka hat als Übersetzer gut daran getan, sie sprachlich quasi herunterzudimmen und Sentimentalitäten zu vermeiden. Auf diesen 800 Seiten findet man keinen falschen Ton, keinen störenden Ausdruck, keinen Satz, der nicht fließt - höchstens ein paar Helvetismen wie "in Tat und Wahrheit" oder "Maturitätsprüfung". So wird man beim Lesen hineingezogen in diesen Sprachstrom und kann Platz nehmen in den breit ausgemalten Szenen, die dank der Sprache nie zu dem verkommen, was man im Film einen historischen Kostümschinken nennt. Und man kann gelegentlich innehalten bei einem aus seiner Umgebung herausleuchtenden Satz wie diesem: "... er wollte freie Sicht auf die Landstraße haben, denn die Leute in den alten Epochen liebten es, das Leben zu betrachten."

Service

Miklós Bánffy, "Die Schrift in Flammen", aus dem Ungarischen übersetzt von und mit einem Nachwort von Andreas Oplatka, Paul Zsolnay Verlag

Zsolnay - Die Schrift in Flammen