Zum 150. Geburtstag von Claude Debussy

Am 25. März 1918 wurde Claude Debussy im französischen Saint-Germain-en-Laye geboren. Seine Musik gilt als eine Art Verbindung zwischen Romantik und Moderne. Debussy verehrte Wagner und Mussorgsky ebenso wie Ragtime Jazz und südostasiatische Gamelan-Musik.

Ein ausdrücklich französischer Künstler

Auf seinem Schreibtisch steht ein Totenkopf - und Wagners "Tristan und Isolde" bleibt für ihn das größte Kunstwerk. Bleibt? Ja, denn dem "musicien français" fällt es gegen Ende seines Lebens zunehmend schwerer zu akzeptieren, dass dieses große Kunstwerk aus Geist und Feder des Deutschen Richard Wagner stammt.

Claude Debussy hat sich zeitlebens als Exponent einer spezifisch französischen Kultur verstanden. In seinen letzten - vom ersten Weltkrieg überschatteten - Jahren verstärkt sich diese Haltung: Auf den Drucken seiner Werke muss seinem Namen die Bezeichnung "musicien français" hinzugefügt werden.

Bunt gemusterte Teppiche

Dies ist wohl eine Überhitzung in den bösen Zeiten gegenseitigen Hasses. Doch zeigt sich hier eine Position, deren Einzigartigkeit und Universalgeltung eben durch dieses "français" definiert wird. Es ist keine nationalistische Genügsamkeit, sondern das Bekennen seiner Farben, das Hochhalten des eigenen Banners im Reigen vieler anderer. Debussy ist da dem Russentum Modest Petrowitsch Mussorgskis vergleichbar. Wie sehr hat die Rigorosität der beiden die europäische Musik bereichert!

Die von ihnen hochgehaltenen Banner sind bunt. Debussy webte in jedem Werk reich gemusterte Teppiche. Das Organum des Mittelalters mit seinen Quintenparallelen ist ebenso ein Faden wie die Rokokomusik. Dazu kommt "Exotisches": spanische Rhythmen und südostasiatische Gamelan-Klänge. Äußerst Heterogenes wird dadurch in jedem Werk willentlich eins - in einer Zeit, in der vieles auseinanderbricht: Kaiserreiche, bürgerliche Vorstellungen und vieles mehr.

Liebesspiel am Tennisplatz

Aber nicht nur stilistisch weiß der Komponist Jahrhunderte und Räume zusammenzufügen, auch geistige Gegensätze verschmelzen in Debussys Werk und präsentieren sich als verwirrende Einheiten. Das Paradebeispiel ist die weibliche Hauptfigur in der Oper "Pelléas et Mélisande". Was dem Dichter Maurice Maeterlinck, dem belgischen Symbolisten, vorgeschwebt sein mag, das verwirklicht sich in Debussys magischer Partitur. Das unmittelbar Naturhafte und das hochgradig Symbolistische sind eins durch jene Musik, die der Komponist seiner Protagonistin auf den Leib und in die Seele komponiert.

In diesen Klanggeweben ist für "Zeit" nur mehr wenig Platz. Zeitlos ist daher "Mélisande", die naturhafte Symbolgestalt, ebenso wie die Mädchen und der Bursch in den Jeux, die gemeinsam ein pikantes Liebesspiel auf dem Tennisplatz austragen. Aber was da "modern" anmuten könnte - der Einzug des Sportlichen in die Welt des Musikdramas -, es gewinnt doch nicht diese Kontur des Modernen.

Der Ausdruck eines Eindrucks

Als ein ganz und gar "modern" eingestellter Kritiker Debussy hochleben ließ, als Bahnbrecher, dessen Harmonien endlich die Melodie abgeschafft hätten, da protestierte der Beglückwünschte aufs Entschiedenste. Nichts anderes sei er als Melodiker, die Harmonien ergäben sich bloß als Endprodukt der Melodie! Und die ist als Phänomen zeitlos.

Daher stimmt das mit dem "Impressionismus" auch nicht, dem man den Komponisten zurechnet, ihn damit gleichsetzend mit seinen Zeitgenossen aus dem Bereich der "plein air"-Malerei. Abgesehen davon, dass diesem Begriff damals etwas Abschätziges innewohnte: Debussy meinte mit seiner Melodie etwas anderes. Sie ist Expression wie Impression. Wie könnte sie denn überhaupt etwas anderes sein als das in Musik gefasste Ausdrücken eines Eindruckes!

Außerhalb der Zeit

Das ist gewiss kein neuer Standpunkt, jedoch einer, der dem Eindruck gegenüber dem Ausdruck keineswegs den Vorrang gibt. Demnach geht der Musiker weit über seine malenden Zeitgenossen hinaus. Dies aber durchaus nicht in dem Sinne, dass er Formen des "Expressionismus" vorausnähme.

So steht er ganz eigentümlich - vergleichbar seiner Mélisande - außerhalb der Zeit und ihrer temporären Forderungen. Allerdings nicht in der Naivität seiner Heldin, sondern wohl abwägend aus einem ihm zur Verfügung stehenden großen Fundus schöpfend. Das macht jene Modernität, die durch ihn zur Welt kam, so unspektakulär im Vergleich zu jener Schönbergs oder Skrjabins.

Aber gerade dies garantiert eine nachhaltige Wirkung und Auswirkung. Ravel und Messiaen beispielsweise, aber auch die so ganz anders gearteten Ungarn Bartók und Kodály beginnen ihren modernen Weg bei Debussy. Bei ihm, welcher der Musik des folgenden Jahrhunderts das Geschenk der "luminosité et clarté" gemacht hat.

Text: Johannes Leopold Mayer