Die Geschichte der Orenstein-Familie

Wie tanzt nun ein Kamel?

"Wie tanzt nun ein Kamel?" heißt ein neues Buch im Mandelbaum Verlag. Darin erzählt die Tanzkritikerin, Regisseurin und Choreografin Gaby Aldor die Geschichte der drei Tanzpionierinnen ihrer Familie - ihrer Großmutter, Mutter und Tante.

Margalit Orenstein und ihre Zwillingstöchter Shoshana und Jehudit waren 1921 aus Wien nach Israel eingewandert. Dort begründeten die drei auch privat höchst emanzipierten Frauen in den Folgejahren den modernen Tanz.

Auf Skiern zur Entbindung

Gaby Aldor erzählt in ihrem Buch die Geschichte ihrer unkonventionellen Familie. Im Mittelpunkt: Großmutter Margalit Orenstein und ihre Zwillingstöchter, Aldors Tante Jehudith und ihre Mutter Shoshana. Mit deren Geburt beginnt die Autorin ihre Familienbiografie.

Es ist eine kalte Nacht im Dezember 1911 in Innsbruck. Die Großeltern fahren, als die Wehen einsetzen, auf Skiern ins Spital. Gaby Aldor erzählt assoziativ, schöpft aus dem Fundus ihres Fachwissens als Tanzkritikerin wie aus ihren persönlichen Erinnerungen, aus Briefen, Presseausschnitten und dem "blauen Büchlein", einer Art Tagebuch, das ihr die Großmutter auf dem Sterbebett überließ. Tante und Mutter fanden hingegen nicht, dass es über die berühmten Orenstein-Frauen viel zu berichten gäbe, denn "die Vergangenheit war vergangen" und daher nicht mehr wichtig, erzählt Gaby Aldor. "Sie waren sehr voll mit Leben und haben nie zurückgeschaut."

Doch kein "Paradies"

Großmutter Margalit, geborene Margarete Oppenheimer, hat in Wien Körperkultur bei Gertrud Bodenwieser studiert. Großvater Jacques (Jakob) Orenstein ist Architekt. Als er 1920 nach Palästina reist, schreibt er seiner Frau begeistert: "Komm, hier ist das Paradies!"

Margalit, die ein Jahr später mit ihren Kindern in Jaffa an Land geht, ist anderer Ansicht. Das Stadtbild von Tel Aviv war damals noch geprägt von Sand und Kamelen. Daher der zunächst seltsam anmutende Titel des Buchs "Wie tanzt nun ein Kamel?". Margalit macht das Beste aus der Situation. Während ihr Mann - einer der ersten Bauhaus-Architekten im Land - namhafte Bauwerke errichtet, eröffnet sie 1922 das erste Studio für rhythmische Gymnastik und Tanz.

Weil Palästina ein Land von Pionieren sei, gab es immer Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen, so Aldor. "Die Frauen haben genauso viel gearbeitet wie Männer. Und das mehr Bürgerliche hat damals noch nicht so existiert."

Als Stars gefeiert

Die Zwillinge Jehudith und Shoshana, genannt Ditty und Susi, studieren am Musikkonservatorium Klavier und Geige und tanzen im Studio ihrer Mutter mit. Bald unterrichten sie dort auch selbst. Die Familie wohnt in demselben Haus, in dem das Tanzstudio ist. Oft wird auf dem Flachdach im Freien unterrichtet.

Es sind die späten 1920er Jahre: In Österreich und Deutschland blüht der freie und expressionistische Tanz. Die Zwillinge gehen daher nach Wien und Berlin, um bei Mary Wigman und anderen Größen des Ausdruckstanzes zu studieren. Zurück in Palästina, werden die "Orenstein-Schwestern" bei ihren Auftritten als Stars gefeiert. Wegen ihrer konträren Charaktere schreibt Mutter Margalit ihnen das Tanzstück "Die Rivalinnen" auf den Leib.

Gaby Aldor sieht den Verdienst der drei Künstlerinnen vor allem darin, dass sie aus dem europäischen Vorbild ein ganz eigenes orientalisches Pendant entwickelt haben. "Es war nicht dieses bedrückte, das Deprimierte wie bei dem 'Totentanz' von Mary Wigman", sagt Aldor. "Das war für mich eine sehr erfreuliche Überraschung. Ich habe immer gedacht, vielleicht haben sie auch kopiert. Aber nein! Sie haben es hier von neuem erfunden."

Bis zu den 1930ern

Im Buch sind die Orenstein-Schwestern auf vielen Schwarz-weiß-Fotos zu sehen. Obwohl sie und Mutter Margalit noch bis ins hohe Alter hinein unterrichteten und sogar Tanzstudios in Haifa und Jerusalem eröffneten, schließt Gaby Aldor ihre literarische Familienbiografie mit den 1930er Jahren. In ihren Augen erreichten die drei Frauen in dieser Zeit ihre schöpferische Blüte.

"Das hat mir sehr imponiert: dieser Weg von Europa nach Israel und zurück nach Europa - und ganz eindeutig zurück nach Israel", so Aldor. "Was heute nicht sehr häufig ist. die Leute schauen nach Berlin und schauen nach Paris und schauen nach New York. Und sie haben diese Leidenschaft nicht gehabt. Sie wollten studieren, aber sie wollten hier ihre Kunst ausüben." Und: Sie waren sehr stolz auf die Arbeit, die sie geschafft haben.

Historischer Rahmen

Gaby Aldor erzählt in ihrem Buch sowohl die Geschichte der Selbstverwirklichung der Orenstein-Frauen als Künstlerinnen als auch die Geschichte des Tanzes in Israel. Die Originalausgabe des Buchs hat dort weit über die Tanzszene hinaus große Beachtung gefunden. Vermutlich, so die Autorin, weil sie die Familienchronik in ihrem historischen Rahmen, einer Zeit der künstlerischen und gesellschaftlichen Auf- und Umbrüche, beschreibt.

Das Buch sei eben nicht nur über Tanz, "es ist die Geschichte meiner Familie in einer hinreißenden Epoche".

Service

Gaby Aldor, "Wie tanzt nun ein Kamel? Die Geschichte der Orenstein-Familie und die Erfindung des modernen israelischen Tanztheaters", Mandelbaum Verlag

Mandelbaum - Wie tanzt nun ein Kamel?