Regisseur Ken Scott im Interview

Starbuck

Als David Wozniack vor zwanzig Jahren in einer Klinik in einen Becher ejakulierte, wollte er sich bloß ein bisschen was dazu verdienen. Die Folgen waren ihm nicht bewusst. "Zwischen 1988 und 1990 haben Sie unter dem Pseudonym 'Starbuck" (...) Sperma gespendet. Ihr Sperma hat eine sehr gute Qualität. Deshalb sind sie der Erzeuger von 533 Kindern."

Eine Sperma-Spende und ihre ungeahnten Folgen: Das ist das Thema von "Starbuck", einem Film des kanadischen Regisseurs Ken Scott. Scott erzählt darin die Geschichte eines sympathischen Losers, der es nicht weiter brachte als zum Ausfahrer der väterlichen Metzgerei in Montreal, der eines Tages Besuch von einem Anwalt bekommt. Er vertritt 142 junge Männer und Frauen, die das Resultat einer anonymen Samenspende sind und nun wissen wollen, wer ihr Vater ist.

David erfährt, dass sein Sperma, das er einst unter dem Pseudonym "Starbuck" - dem Namen eines legendären Zuchtbullen - spendete, um ein bisschen Geld zu verdienen, zu 533 Nachkommen geführt hat. Und ein Teil seiner Kinder will nun klagen, um die Identität ihres Erzeugers zu erfahren.

David, der schon genug Probleme hat - er hat Schulden und eine schwangere Freundin, die sich von ihm trennen will -, steckt in der Bredouille. Während er zunächst nichts von der Vater-Rolle wissen will, wird er nach und nach doch neugierig und beginnt, sich in das Leben seiner Kinder einzuschleichen und zu ihrem Schutzengel zu werden - und begegnet einem Fußballer und einem Fremdenführer, einem Bademeister und einer Drogensüchtigen, einem Straßenmusiker, einem Schwerbehinderten, einem kellnernden Schauspieler. Am Ende, als sein 534. Kind zur Welt kommt, lüftet Starbuck sein Incognito und bekennt sich zu seiner Vaterschaft.

Kulturjournal, 17.8.2012

Wolfgang Seibel: Starbuck ist eine Komödie über einen Mann, der unwahrscheinlich viele Kinder hat. Ich denke, die Geschichte ist pure Fiktion - und basiert nicht auf etwas, was in der Zeitung stand?
Ken Scott: Ja, die ganze Geschichte ist Fiktion. Ich habe sie zusammen mit Martin Petit geschrieben, der zuerst auf diese Idee kam mit der Sperma-Spende, die zu vielen, vielen Kindern führt. Am Anfang dachten wir, unser Held sollte 150 Kinder haben, das wäre eine hübsche Übertreibung - und Stoff für eine gute Komödie. Aber eines Tages erfuhren wir aus den Nachrichten, dass es einen Mann gab, der 250 Kinder hatte. Und wir begannen zu recherchieren und fanden heraus, dass es tatsächlich immer wieder Fälle gab von Sperma-Spenden, die zu Dutzenden, ja zu Hunderten von Kindern führten. Das brachte uns schließlich darauf, die Zahl der Kinder von Starbuck von 150 auf 533 zu schrauben. Denn so ist die Realität."

Der David alias Starbuck am Ende des Films ist ein ganz anderer als der zu Beginn. Wie würden sie seine Entwicklung beschreiben?
Mit seinen 42 Jahren ist David immer noch ein Kind. Als er erfährt, dass er der Vater von 533 Kindern ist, weigert er sich zunächst, das anzuerkennen und Verantwortung zu übernehmen. Aber irgendwann entschließt er sich doch, seine Kinder zu treffen, und er begreift, was Vaterschaft bedeutet. Und das macht aus ihm einen anderen Menschen - zu wissen, dass er all diese Kinder hat und auch all die Verantwortung. Die ganze Geschichte wird als dramatische Komödie erzählt. Und ich glaube, Vaterschaft selbst ist so eine dramatische Komödie: Da gibt es Momente zum Brüllen, aber auch sehr schwierige Momente.

Der Film funktioniert vor allem deshalb so gut, weil Patrick Huard als Starbuck brillant ist, er spielt den Verlierer so überzeugend wie den Schelm oder den fürsorglichen Vater.
Es ist eine sehr anspruchsvolle Rolle. Denn David tritt ja in jeder Szene auf. Und er muss all die vielen kleinen Geschichten mit seinen Kindern zusammenhalten. Er ist ein Mann mit vielen Fehlern, er hat viele Schwächen, trotzdem ist er sehr liebenswert. Und das ist es, was Patrick Huard wunderbar verkörpert. Er ist ein toller Schauspieler, er ist sehr charismatisch. Und er versteht sich großartig aufs Komödienfach. Er war perfekt für diese Rolle.

War es ein sehr langwieriges Casting, bis all die Söhne und Töchter von Starbuck gefunden waren?
Das war eine der großen Herausforderungen bei diesem Film - Schauspieler zu finden, die man für Brüder und Schwestern halten kann. Und es war für mich sehr reizvoll, weil ich auf der einen Seite die Chance hatte, mit großen Schauspielern zu arbeiten, wie Patrick Huard, Julie Le Breton oder Antoine Bertrand. Und auf der anderen Seite hatte ich all die jungen Akteure, die gerade von der Schauspielschule kamen. Ihnen zu begegnen, sie beim Vorsprechen und dann zum ersten Mal in ihrem Leben am Filmset zu erleben - das war sehr aufregend für mich.

Stimmt es, dass Steven Spielberg ein Remake von "Starbuck" plant, eine amerikanische Version?
Es gab viele Studios und Produktionsfirmen, die sich für ein Remake von "Starbuck" interessierten. Das Besondere aber an DreamWorks und Steven Spielberg war, dass sie mir die Möglichkeit boten, dieses Remake selbst zu schreiben und zu inszenieren. Deshalb haben wir uns für sie entschieden. Das ist eine großartige Chance. Ich bin ein Storyteller, ich erzähle Geschichten durch Filme, und dabei geht es darum, ein Publikum zu erreichen. Und das ist eine wunderbare Gelegenheit, diese Geschichte einem größeren Publikum zu erzählen durch eine amerikanische Version.

"Starbuck" ist eine Komödie. Aber geht es nur um Unterhaltung? Oder auch um eine "Botschaft"?
Ich hoffe, "Starbuck" ist ein unterhaltsamer Film, eine Komödie, die uns zum Lachen bringt. Aber für mich ist Unterhaltung erst dann gut, wenn wir auch eine Geschichte erzählen, wenn wir das Publikum anregen und die Leute aus dem Film gehen und anfangen zu diskutieren - darüber, was Vaterschaft bedeutet oder welche Probleme Sperma-Spenden aufwerfen. Das ist es, was ich an einem Film mag: Unterhaltung und Diskussion. Ich hoffe, wir haben beides in diesem Film.

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