Strafrahmen bei Sexualstraftaten wird nicht ausgeschöpft

Werden Sexualstraftäter in Österreich vom Gericht zu mild bestraft? Eine EU-Richtlinie sieht bis Ende nächsten Jahres strengere Strafen vor. Kriminologen sagen jetzt, dass bereits der bestehende Strafrahmen bei Sexualdelikten ganz selten ausgeschöpft wird.

Morgenjournal, 24.8.2012

Tanja Geleckyj

Höchststrafe "reserviert"

Die Verurteilungspraxis bei Gericht zeige, dass nur selten ein Richter die Höchststrafe verhänge, sagt der Kriminologe Christian Grafl. Das habe auch einen Grund: "Delikte, die mit bis zu 20 Jahren bestraft werden, werden 'reserviert' für besonders grausliche Taten, und für andere Taten bleibt man unterhalb der Höchststrafe." Grafl hat in einer Studie die Urteile bei Sexualdelikten in Österreich von 1988 bis 2007 untersucht und kommt zu dem Schluss, Richter würden bei Sexualdelikten generell nicht zu mild urteilen: "Sexualdelikte werden nicht milder als Vermögensdelikte, sondern etwas strenger bestraft."

In der Studie vergleicht Grafl die Strafen nach Raubdelikten und schwerem sexuellem Missbrauch. Während nach Raubdelikten ein Drittel der Angeklagten zu einer Haftstrafe verurteilt worden sind, sind es bei Angeklagten nach schwerem sexuellem Missbrauch zwei Drittel.

"Einfallslose" Reaktion

Eine weitere Verschärfung der Strafen, wie laut einer EU-Richtlinie geplant ist und von heimischen Politikern befürwortet wird, lehnt der Kriminologe so wie andere Strafrechtsexperten explizit ab: "Ich halte es für einfalllos, auf vermeintlich gestiegene Kriminalität zu reagieren, dass man die Strafdrohung erhöht." Dass Menschen Sexualverbrechen deshalb nicht begehen, weil die angedrohte Strafe höher ist, hält Grafl für eine Illusion.