Licht-Projekte für die Wachau

Die in Wien lebende Künstlerin Siegrun Appelt arbeitet mit einem Material, das weder greifbar, noch hörbar ist und - genau genommen - nur in seinen Reflektionen zu sehen ist: Licht. Im Zuge ihres künstlerischen Forschungsprojekts "Langsames Licht / Slow Light" recherchiert sie neue Technologien und erkundet Möglichkeiten eines ökologisch nachhaltigen Umgangs mit Licht.

Auf Einladung der Organisation Kunst im öffentlichen Raum Niederösterreich entwickelt Appelt Licht-Projekte für die Wachau, die sich als energieautarke Region etablieren will. Eines der Projekte, nämlich die künstlerische Gestaltung der Donaupromenade in Spitz an der Donau, wird am 31. August eröffnet.

Kulturjournal, 28.8.2012

"Langsames Licht / Slow Light", wie Siegrun Appelt ihr Langzeitprojekt nennt, spielt an auf den Begriff "Slow Food", der sich als Bezeichnung für den bewussten Umgang mit Nahrungsmitteln und ihrer Herstellung etabliert hat. "Langsames Licht" bedeutet Entschleunigung im Einsatz von Licht und Widerstand gegen die sogenannte Lichtverschmutzung des Abendhimmels. Es bedeutet auch ein Innehalten in der rasanten Entwicklung seit der Einführung von elektrischem Licht.

"Anfangs konnte man es sich nicht leisten, Strom war sehr teuer", erzählt Appelt. "Mittlerweile können wir es uns leisten. Ich merke, dass es das Bedürfnis nach Dunkelheit gibt, auch in der Bevölkerung. Früher war es das Streben nach mehr Licht, jetzt ist es nach mehr Dunkelheit."

Neue Leuchten entwickelt

Im Zuge ihrer Forschungen führt Appelt Gespräche mit Fachleuten unterschiedlicher Disziplinen, wie etwa mit einem Theaterbeleuchter, Architekten, einer Chronobiologin und einer Augenspezialistin. Zudem entwickelt sie, in Zusammenarbeit mit Technikern, neue Leuchten und Lichtlösungen für konkrete Orte. Als Künstlerin hat Appelt Erfahrungen mit nicht-visuellen Medien und mit raumästhetischer Wahrnehmung aufzuweisen, die etwa Technikerinnen oder Landschaftsplaner nicht haben.

"Was ich einbringen kann, ist die Feinheit und den Ausblick", meint Appelt. "Und ich habe die Erfahrung aus der Medienkunst. Das ist ein wichtiger Punkt, weil es geht darum, wie bespiele ich die steuerbaren LED-Systeme. Was ich erlebe ist, dass sehr viele Leute damit überfordert sind. Die Komplexität dieser Projekte kann ich mit meiner Erfahrung als Künstlerin bewältigen."

Ruine Hinterhaus

Das menschliche Auge reagiert, um sich zu schützen, sehr schnell auf Licht - und langsam auf Dunkelheit. Durch Lichtpunkte im sonst finsteren Raum, also beispielsweise vereinzelte Leuchten in einem nächtlichen Park, wird der Blick abgelenkt von der Tiefe des Raums. Die klare Sicht geht verloren.

Zuerst einmal ginge es darum, all "diese störenden Lichtpunkte" zu eliminieren und besser zu lenken, sagt Appelt. "Auch aus energietechnischen Gründen schaut man, wo man es nicht braucht. Wenn das alles gemacht ist, dann kann man schauen, wo man neues Licht installieren kann."

Siegrun Appelt befürwortet, neue Lichtkonzepte in bestehende Systeme zu integrieren. Ein Beispiel für diese Vorgangsweise ist ihr Eingriff in die Beleuchtung der Ruine Hinterhaus bei Spitz an der Donau. Anstatt neue, energiesparende Leuchten zu installieren, wird auf Anraten der Künstlerin die nächtliche Beleuchtung der Fassade einfach abschnittweise abgeschaltet – und damit auch die Baugeschichte in ihren Abschnitten thematisiert.

"Wir werden einfach Teile abschalten, wenn das Licht nicht so notwendig ist", sagt Appelt. "Wenn weniger Tourismus ist, wenn die Leute vor dem Fernseher sitzen."

Die Seeanlagen in Bregenz

Über 80 Prozent Energieersparnis gegenüber der alten Beleuchtung konnte Appelt bei einem anderen Projekt im öffentlichen Raum erreichen: die Wegebeleuchtung bei den Seeanlagen und dem Platz vor dem Festspielhaus in Bregenz. Statt der üblichen Kugelleuchten aus den 1950er Jahren, die blenden und durchs Abstrahlen in die Weite die Raumsicht beeinträchtigen, installierte Appelt auf den Boden gerichtete Leuchten. Sie sind mit Bewegungssensoren ausgestattet und werden heller, wenn sich ein Mensch nähert.

"Zusätzlich hatte man diese klare Sicht auf den Raum und den See und ein dekoratives Licht, weil es in die Büsche ging", so Appelt. "Man hat den Raum wieder erkennt, den Raum als Raum und das Grün als Grün. Und den Blick auf den See."

Die neue Wegebeleuchtung in Bregenz sorgte anfangs für Verwirrung, da die Benutzer glaubten, es gäbe gar keine Beleuchtung mehr.

Neue Technologie in alter Form

Sehgewohnheiten, sagt Appelt, ändern sich sehr langsam. Auch die Gewohnheit, dass eine Kugelleuchte zu einem Park oder einer Promenade gehöre. Daher hat sie ein neues Modell mit zu Boden gerichteten LED-Leuchten entwickelt: neue Technologie in alter, gewohnter Form. Dieses Kugel-Modell kommt nun auf der Donaupromenade in Spitz an der Donau zum Einsatz, die im Zuge einer Hochwasserschutzsanierung neu gebaut und ihrer Bäume entledigt wurde. Aufgestellt werden die Leuchten auf beiden Seiten des Gehwegs in unregelmäßigen Abständen. Auch das ist Teil von Appelts Konzept, den ursprünglichen Charakter wiederherzustellen:

"Durch dieses simple Brechen der Regelmäßigkeit kriegt man den Flaniercharakter zurück, und das andere ist die Kugelform. Die Kugel weist die Leute darauf hin, dass hier die Flaniermeile von Spitz ist."

Siegrun Appelts Eingriffe liefern Beispiele für eine Lichtgestaltung, die nicht nur eine andere Wahrnehmung ermöglicht, sondern auch Strom und Kosten spart. Ihr Ziel ist, dass auch andere Gemeinden sich anschließen und in naher Zukunft auf "Langsames Licht / Slow Light" setzen.

Die Eröffnung des Lichtprojekts von Siegrun Appelt in Spitz an der Donau findet am Freitag, den 31. August 2012, um 19.00 Uhr, an der Donaupromenade statt, gemeinsam mit der Einweihung der Skulptur "Spitz" des Vorarlberger Bildhauers Gottfried Bechtold. Die Organisation Kunst im öffentlichen Raum Niederösterreich organisiert einen Shuttle-Bus für Besucher aus Wien.

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