Hanekes "Liebe"

Das neue Kammerspiel des Meisterregisseurs kommt Ende dieser Woche ins Kino und schildert das Sterben einer betagten Frau in Paris. Der Film einer bedingungslosen Liebe und der gnadenlosen Vergänglichkeit unseres Lebens wurde als österreichischer Kandidat für den Auslands-Oscar nominiert.

Morgenjournal, 17.09.2012

Der letzte gemeinsame Weg

"Liebe", unter diesem schlichten Titel kommt der neue Film des Regisseurs Michael Hanke in die österreichischen Kinos. Haneke hat mit diesem Kammerspiel rund um das Sterben einer alten Frau heuer bei den Filmfestspielen von Cannes bereits zum zweiten Mal die Goldene Palme gewonnen und wurde auch als österreichischer Kandidat für den Auslandsoscar nominiert.


Die Zeichen des Verfalls stellen sich nur langsam ein, vorerst unscheinbar, wie am Frühstückstisch, als Anne (Emanuelle Riva) plötzlich ein paar Minuten wie weggetreten scheint. Ein leichter Schlaganfall, dem ein Zweiter folgen wird, nach und nach verschlechtert sich die körperliche und geistige Verfassung. Michael Haneke: "Wenn man in ein gewisses Alter kommt ist man zwangsweise konfrontiert mit Leiden von Menschen, die einem nahe sind, das ist mir auch passiert und hat mich angeregt, diesen Film zu machen."

Würde behalten

Michael Hanekes Film "Liebe" begleitet Anne und Georges (Jean Louis Trintignant), beide um die 80, bei ihrem letzten, gemeinsamen Weg. Es geht um das langsame Akzeptieren des Unausweichlichen, das man in gegenseitiger Achtung und der titelgebenden Liebe, vor allem aber in Würde zu ertragen versucht, eine Würde, die wie eine Selbstverständlichkeit zum bürgerlichen Lebensstil des Paares gehört, so wie der Salon mit den vielen Büchern, das Klavier, ein Musikstück von Schubert oder Bach. Es ist eine Würde, die George auch mit allen Mitteln zu verteidigen bereit ist, gegen eine lieblose Krankenpflegerin, ja sogar gegen die gutgemeinten, aber letztlich ignoranten Ratschläge der eigenen Tochter, die die Vergangenheit bemüht, um einer nur schwer ertragbaren Gegenwart zu entfliehen.

Zunehmende Überforderung

Mit Distanz, aber auch Gelassenheit geht Regisseur Haneke ans Werk, zeigt die Mühen des Alltags, die die Krankheit beschert, den Verlust der Eigenständigkeit, die Anstrengung der Veränderung, das unvermeidbare Aufgeben von Gewohnheiten, die zunehmende Überforderung von Georges, den Darsteller Jean-Louis Trintignant mit Besonnenheit und ohne überhöhte Dramatik verkörpert. Er habe über 100 Filme gemacht, so Trintignant, aber hier habe er sich "zum ersten mal selbst gerne auf der Leinwand gesehen".

Keine falsche Sentimentalität

"Liebe", der simple Titel des Films steht für die filmische Reduktion, die Michael Haneke auch diesmal pflegt. Unnötige Sentimentalitäten, wie sie das Kino auch ganz gerne in vergleichbaren Geschichten parat hält, sind dem Regisseur fremd. Er bevorzugt einmal mehr die Rolle des strengen, genauen Beobachters, ein Beobachten, das den Kinozuseher weniger zum Hinschauen zwingt, als vielmehr dazu anregt.

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