Vier Physiker revolutionieren in Innsbruck die Welt der Information

Das Quanten-Quartett

Was tut man, wenn man die Handynummer eines Geschäftspartners vergessen hat? Man schlägt sie im Telefonverzeichnis nach - und ruft an. Was aber, wenn man eine Nummer besitzt, aber den Namen ihres Besitzers verschlampt hat?

Hier hilft bei Geheimnummern kein Telefonbuch weiter, ob aus Papier oder elektronisch - man hat ein Problem. Natürlich könnte man einfach anrufen und hoffen, dass sich der Gesprächspartner mit Namen meldet. Erklingt am anderen Leitungsende nur ein anonymes "Hallo!", wird es peinlich. Und kein Computer der Welt kann uns derzeit diese Peinlichkeit ersparen. Um ein solches Datenbankproblem zu lösen, benötigt ein klassischer Siliziumrechner eine halbe Ewigkeit. So viel Zeit haben wir in der Regel nicht.

10 Jahre Forschung

In Tirol betreiben vier Physiker eine Grundlagenforschung, deren technologisches Fernziel es ist, diese halbe Ewigkeit auf Sekundenbruchteile zu verkürzen: Peter Zoller, Rainer Blatt, Hans Briegel und Rudolf Grimm. Es sind die vier wissenschaftlichen Direktoren der Innsbrucker Abteilung des 2003 gegründeten "Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation" der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Seit zehn Jahren betreibt dieses Quanten-Quartett internationale Spitzenforschung, die den spektakulären Teleportationsexperimenten ihres Wiener Kollegen Anton Zeilinger um nichts nachsteht. Es sei uns verziehen, dass wir dieses Quanten-Quartett aus Platzgründen nach den Anfangsbuchstaben ihrer Familiennamen hier mit dem Akronym ZBBG bezeichnen.

Schrödingers Katze

ZBBG nützen die Gesetze der Quantenphysik, um eine Rechenmaschine zu bauen, die das geschilderte Handynummern-Problem im Handumdrehen lösen könnte: den Quantencomputer. Sein kalkulierendes Herzstück basiert auf einem quantenphysikalischen Phänomen, das immer noch wie reinste Magie anmutet, obwohl es seit über 70 Jahren bekannt ist: die Überlagerung oder "Superposition" von Quantenzuständen. Im Mikrokosmos der Quantenwelt können Teilchen gleichzeitig zwei Zustände einnehmen oder Eigenschaften aufweisen, die sich gegenseitig ausschließen. In seinem berühmten Gedankenexperiment verglich der österreichische Physiker Erwin Schrödinger dieses Paradoxon mit einer Katze, die gleichzeitig tot und lebendig ist. Man könnte es heute auch so formulieren: Wer hat jemals einen Skifahrer gesehen, der einem Baum ausweicht, indem er gleichzeitig links und rechts daran vorbeifährt?

Aber genauso verhält sich der Quantencomputer, an dem ZBBG in Innsbruck arbeiten. Er rechnet nicht mit Bits aus Nullen und Einsen sondern mit Quantenbits, mit so genannten "Qubits". ZBBG erzeugen sie beispielweise durch die quantenmechanische Überlagerung der verschiedenen Anregungszustände eines Atoms. Ein Qubit nimmt die digitalen Zustände 1 und 0 gleichzeitig an, und damit wird eine astronomisch hohe Zahl an Parallelrechnungen möglich. Der Quantencomputer bedeutet die endgültige Abkehr vom altehrwürdigen Rechenprinzip des Abakus. Theoretisch würden 50 Atome genügen, um die vereinte Rechenkapazität aller heute existierenden Computer zu übertreffen. 300 Atome vollbrächten mehr Rechenschritte, als Atome im Universum existieren.

Weltweite Berühmtheit

Angesichts solcher Aussichten ist es nicht verwunderlich, dass die Forschung des Innsbrucker Quanten-Quartetts auch unter besonderer Beobachtung von Wirtschaftskapitänen, Banken, Geheimdiensten und Militärs steht. Auch weil ZBBG auf ihrem Gebiet zur absoluten Weltspitze zählen. Beim Ranking der wissenschaftlichen Zitationen liegen sie ganz vorne, aus aller Welt strömen die Postdocs nach Innsbruck, und kaum ein Monat vergeht, in dem nicht eine Publikation von ZBBG für internationales Aufsehen sorgt. Innsbruck ist in der Quanteninformatik inzwischen das, was Salzburg in der klassischen Musik ist: ein Festspiel mit Weltruf - nur zeitgemäßer.

Bis der Quantencomputer allerdings so rechnet, wie Mozart komponierte, dürfte es noch dauern. Im Moment versuchen ZBBG dem Wunderding der Zukunft erst einmal das kleine Einmaleins beizubringen. Die Zahl 15 in ihre Primfaktoren 3 und 5 zu zerlegen, das gelingt ihm schon. Da mit solchen mathematischen Operationen heute unsere elektronischen Daten verschlüsselt werden, könnte der Quantencomputer den globalen Wettlauf zwischen Codierern und Decodierern in eine neue Dimension bringen. Im Moment sind ZBBG hauptsächlich damit beschäftigt, aus ihrem Prototyp ein alltagstaugliches Gerät zu machen. Wenn der Quantencomputer einst in unseren Wohnungen und Büros steht, dann "wird er sich zu einem normalen PC wie die Kernkraft zum Feuer verhalten", titelte vor Jahren schon die New York Times.

Einen Quantencomputer, der zu einer Handynummer im Nu den Namen ihres Besitzers ausspuckt, werden vermutlich erst die Enkelkinder von Peter Zoller, Rainer Blatt, Hans Briegel und Rudolf Grimm bedienen. - Aber wie sagte Einstein: "Wenn eine Idee anfangs nicht absurd klingt, besteht keine Hoffnung für sie."