2. Flötistin beim Orchester der Wiener Staatsoper

Karin Bonelli, Querflöte

"Beruflich weiß ich meist was ich will, bin zielstrebig und organisiert, privat allerdings bin ich ein eher chaotischer Mensch, der die Dinge gerne auf sich zukommen lässt und genießen kann", erzählt das junge Talent aus Oberösterreich.

"Mir ist die Balance zwischen dem beruflichen Fokus und dem Loslassen können ebenso wichtig, wie eine Balance zwischen Alleinsein und dem Austausch und der Zeit mit den Menschen, die mir wichtig sind. Ich suche die Herausforderung, hasse halbherzige Entscheidungen und Vorgehensweisen und liebe es, sowohl Arbeitstier als auch Genussmensch zu sein."

Was ist Kunst?

Wenn ein Mensch einen anderen Menschen – den er in der Regel noch nie gesehen oder gesprochen hat – durch das, was seinem Geist und seiner Kreativität entspringt in irgendeiner Form berühren, bewegen oder anregen kann. Natürlich kann man nie alle Menschen erreichen, aber ich finde, es ist die Aufgabe des Künstlers zu berühren, ansonsten bleibt er immer ein guter Handwerker, mehr nicht.

Wie sind Sie zur Kunst gekommen?

Durch meine Familie. Meine Eltern sind beide Flötisten, deshalb wurde mein Leben quasi schon im Mutterleib von diesem Instrument begleitet. Eine der ersten Melodien, die ich als Kleinkind singen konnte, war der Anfang vom ersten Satz von Mozarts G-Dur Konzert.

Das hört sich für Außenstehende wahrscheinlich danach an, als wäre ich von meinen Eltern in diese Richtung gedrängt und gedrillt geworden, was aber überhaupt nicht der Fall war. Im Gegenteil, meine Mutter war gar nicht so begeistert, von meinem Wunsch, Flöte zu lernen, da außer meinen Eltern auch noch mein Onkel und mein Halbbruder Flötisten sind und sie zu Recht meinte, es müsste nicht unbedingt noch eine weitere Flötistin in der Familie geben. Aber ich hab nicht locker gelassen, bis sie mir schließlich meinen ersten Flötenunterricht gab, allerdings immer in einer Gruppe mit anderen Kindern, so hat das ganz gut funktioniert.

Kommt Kunst von können, müssen oder wollen?

Ich denke, wenn man die Kunst, also in meinem Fall die Musik zu seinem Beruf machen will, braucht es dazu eine Mischung aus allem, aber das Wichtigste ist zunächst, sich dafür zu begeistern, denn mit wollen - und schon gar nicht mit müssen – alleine kann man diesen Beruf nicht ein Leben lang ausführen. Wenn diese Begeisterung und Liebe zur Musik da ist, würde ich sagen, der Weg ist, ein Talent zu haben, mit dem man arbeiten KANN, an diesem Talent und Potenzial arbeiten zu WOLLEN und am Ende annehmen können, dass man für seine Interpretationen, Auffassungen und auch Fehler gerade stehen MUSS.

Wo würden Sie am liebsten auftreten?

Ich finde mein Arbeitsplatz ist der absolut traumhafteste, den man sich nur wünschen kann und damit meine ich sowohl Wien als Kulturstadt als auch die Spielstätten Wiener Staatsoper und den Musikverein. Aber natürlich freue ich mich auch auf Städte wie Paris, New York oder Tokio, ich muss sagen, in diesem Orchester bleiben in dieser Hinsicht keine Wünsche offen.

Mit wem würden Sie gerne zusammenarbeiten?

Auch das ist momentan wie ein gelebter Traum, denn die Künstler, die mich am meisten inspirieren und von denen wir Instrumentalisten - insbesondere die Bläser - am meisten lernen können, sind meiner Ansicht nach Sänger. Es ist für mich eine unglaubliche Ehre, in Zukunft mit Größen wie Piotr Beczala, Placido Domingo oder Edita Gruberova zusammen arbeiten zu dürfen.

Wie viel Markt verträgt die Kunst? Und wie viel Kunst verträgt der Markt?

Meiner Ansicht nach ist der richtige Weg, wenn der Markt der Kunst dient und nicht umgekehrt irgendwelche Hypes oder Personenkulte geschaffen werden, nur um den Markt anzukurbeln. Wenn wir von dem „Produkt Musik“ sprechen, wie ich jetzt schon des Öfteren gelesen oder gehört habe, dann finde ich, ist die Kommerzialisierung der Kunst schon eindeutig zu weit gegangen.

Wofür würden Sie Ihr letztes Geld ausgeben?

Für ein Haus am Meer.

Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?

Hoffentlich noch immer in diesem Orchester. Außerdem wäre es schön, in zehn Jahren einige wenige Studenten unterrichten und viel Kammermusik spielen zu können und wer weiß, vielleicht fahr ich an meinen freien Tagen zu meinem Haus am Meer…

Haben Sie einen Plan B?

Nein, keinen konkreten. Ich will und wollte immer nur Musikerin werden, seit ich ungefähr 13 Jare alt war. Am Beginn meines Studiums habe ich aber immer gesagt, wenn es mit der Musik nicht klappen sollte, dann studiere ich transkulturelle Kommunikation.

Wann und wo sind Sie das letzte Mal unangenehm aufgefallen?

In der Staatsoper werden viele Opern, die zum Repertoire gehören, ohne Proben gespielt. Das bietet dafür ein sehr hohes Potenzial, vor allem, wenn man diese zum allerersten Mal spielt…

Wollen Sie die Welt verändern?

Ich finde, wir alle leisten täglich unseren Beitrag, dass die Welt morgen ein bisschen anders ist als heute. Wichtig ist nur, dass wir auch wissen, was wir ändern wollen und dann nicht nur dasitzen und uns beschweren, sondern auch etwas tun. Sich in sein Schicksal fügen ist die einfachste Lösung, aber dadurch ändern wir die Welt nicht zum Besseren.