Vranitzky: "Korruption schadet Politik massiv"

Der frühere SPÖ-Vorsitzende und Bundeskanzler Franz Vranitzky feierte am Donnerstag seinen 75. Geburtstag. Vranitzky war von 1986 bis 1997 Bundeskanzler und hat Österreich in die EU geführt. Die Amtszeit Vranitzkys war aber auch geprägt von der Erosion der großen Koalition. Er weiß also, wovon er spricht, wenn er Rot und Schwarz vor Frank Stronach warnt.

Mittagsjournal, 6.10.2012

"Verurteilung Martinz' notwendiges Zeichen"

Unvergessen ist Franz Vranitzkys Abgang im Jänner 1997. Am Höhepunkt seines Schaffens und mit makellosem Ruf zog er sich nach ziemlich genau zehn Jahren Kanzlerschaft aus der Politik zurück. Heute häufen sich die Rücktritte mit Korruptionshintergrund, aber Vranitzky will nicht sagen, dass es früher besser war. Er erinnert an den Fall des steirischen Arbeiterkammerpräsidenten und Betriebsratskaisers Alois Rechberger. Vranitzky dazu: "Ich wurde damit konfrontiert und ein bisschen auf dem falschen Fuß erwischt, weil ich mir das gar nicht vorstellen konnte. Ich habe das dann abgestellt, musste aber viele Politikerfreunde und Kollegen davon überzeugen, dass das abzustellen ist, denn die damalige Einstellung war, das gehöre irgendwie dazu."

Dass der frühere Kärntner ÖVP-Chef Josef Martinz diese Woche wegen Korruption in erster Instanz zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt wurde, sei wichtig, meint Vranitzky. Er wünsche niemandem, dass er eingesperrt wird. Auf der anderen Seite: Wenn so schwere Vorwürfe erhoben werden, die sich als eindeutig wahr erweisen, und dementsprechend Urteile gesprochen würden, dann sei das sicher ein notwendiges Zeichen im Rechtsstaat.

"Regierungsparteien noch keine Antwort auf Korruptionsaffären gefunden"

Insgesamt schadeten die Korruptionsaffären der Politik ganz massiv, und vor allem die Regierungsparteien hätten noch keine ausreichende Antwort gefunden. Das zeige der Erfolg versprechende Einstieg des Milliardärs Frank Stronach in die Politik: "Gar nicht so wenige Leute sagen, die zwei Regierungsparteien überzeugen mich nicht, aber da kommt jetzt jemand, vielleicht kann es der besser und vielleicht interessiert mich das mehr. Die Reaktion der Regierungsparteien kann ja nur sein, sich zu fragen, warum das so ist. Haben wir da etwas versäumt? Und ich glaube, sie werden das tun, denn sie müssen ja für die nächste Nationalratswahl vorbereitet sein."

Und wie sieht Vranitzky seine Partei? Kann er dem Feldzug der SPÖ gegen die Vermögenden und die Banken etwas abgewinnen? Vranitzky war ja selber Chef einer Großbank und wurde, obwohl er aus einer Wiener Arbeiterfamilie stammt, in den eigenen Reihen lange Zeit misstrauisch beäugt. Die Kritik an der Gerechtigkeitskampagne kommt in nur kleiner Dosis: "Am Ende müssen es, damit es politisch auch hält, alle politischen Gruppen mittragen. Das sind natürlich legitime Überlegungen, aber man muss auch andere dafür gewinnen."

Vision: Gemeinsame EU-Armee

Klarer ist der Gegensatz zur Partei in Sachen Wehrpflicht, die Vranitzky nicht aufgeben will. Dem Personenkomitee für die Wehrpflicht, das angeblich auch SPÖ-nahe Mitglieder haben wird, möchte der Altkanzler aber nicht beitreten. Dann schon lieber ein Beitrag zur Versachlichung: "Es muss nicht jedes Land und schon gar nicht die kleinen Abfangjäger haben. Wir werden in den nächsten Jahren eine koordinierte Fiskalpolitik, Bankenaufsicht und Einlagensicherung haben, also warum sollen wir nicht bei der Sicherheit unserer Bevölkerung nicht auch gemeinsame Schritte gehen."

Die Vision des überzeugten Europäers ist eine gemeinsame EU-Armee. Aber wo bleibt dann die Neutralität? Die bleibe natürlich aufrecht, sagt Vranitzky, und es wäre nicht Vranitzky, würde er etwas anderes sagen.