Literatur
Peter Handkes "Versuch über den Stillen Ort"
Kommenden Mittwoch erscheint ein neues Buch des bald 70jährigen Peter Handkes. Zuletzt hatte Handke verstärkt fürs Theater gearbeitet. Mit dem "Versuch über den Stillen Ort" kehrt Handke jetzt zu einer literarischen Form zurück, der er vor mehr als zwanzig Jahren eine Trilogie gewidmet hat.
5. Dezember 2017, 16:12
Mittagsjournal, 8. 10. 2012
Zwischen 1989 und 1991 legte Peter Handke in kurzer Folge drei Versuche vor. Im ersten Buch beschäftigte er sich mit dem Zustand der Müdigkeit, im zweiten schwelgte er in Erinnerungen an die von ihm so heiß geliebte Juke-Box und im dritten dachte er über den geglückten Tag nach. Jetzt, mehr als zwanzig Jahre später, ist es also der sprichwörtliche Stille Ort, dem Handke seine Aufmerksamkeit schenkt. Die Herangehensweise ist dabei die gleiche geblieben.
Handke berichtet im "Versuch über den Stillen Ort" von seinen jugendlichen Wanderjahren, in denen er auf Bahnhofstoiletten übernachtet hat und von einer Reise, als renommierter Schriftsteller schon, die ihn nach Japan geführt hat. Nach einer Zeit des Herumirrens, der Verwirrung und Zerrissenheit im fremden Land kam er damals, beim Betreten einer Tempeltoilette in Nara, endlich zur Ruhe.
Zitat
"Es war, als bestehe der kleine Raum aus nichts sonst als Düsternis, einer ebenso klaren wie stofflichen. Es war diese klare schimmernde Düsternis, die mich schon seit jeher im Innersten aufgerührt hatte; aufgerührt, etwas zu unternehmen. Was? Nichts Bestimmtes oder Gezieltes, einfach tätig zu werden, aufzubrechen werweißwohin, werweißwieweit, oder an Ort und Stelle zu bleiben und stante pede etwas zu machen. Was? Etwas Schönes; etwas Erstaunliches; etwas, das zu der Stofflichkeit wie auch Innigkeit solchen Düsterlichts die Entsprechung wäre."
Für die Recherche zu seinem Buch hat Handke Bildbände über die Toiletten der Welt durchgeblättert und dort Abbildungen gefunden von den Klos in den Todeszellen und von Astronautenaborten in Raumstationen und Raketen. Daneben erzählt er auch von einer Toilettenanlage auf Neuseeland, in "tausendundeiner Farbe" und ohne rechten Winkel, dem letzten Entwurf von Friedensreich Hundertwasser.
Die mittlerweile vier Versuche Handkes bieten derart aber nicht nur Fundstücke, sondern lassen sich auch als Teil eines autobiografischen Projekts verstehen, denn der Schriftsteller erzählt hier mit schonungsloser Offenheit, was ihm diese Phänomene, Gegenstände und Orte bedeuten, und wie er, manchmal aus der Bahn geworfen, mit ihrer Hilfe wieder ins Leben zurückgefunden hat.
Das Sehen im Gehen
Genauso gehört es zum Programm, dass Handke den Akt des Schreibens selbst mit einfließen lässt und so erfährt der Leser, dass der "Versuch über den Stillen Ort" in einem kleinen Dorf nordwestlich von Paris entstanden ist in nur zwei Wochen im Dezember 2011.
Unterbrochen hat er sein Schreiben nur für ausgedehnte Spaziergänge, die aber für den Rhythmus des Buches sorgen. Einen Rhythmus des Sehens im Gehen, der Handkes Schreiben und auch seinen "Versuch über den Stillen Ort" so einzigartig macht in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur.
Service
Peter Handke, "Versuch über den Stillen Ort", Suhrkamp