"Russland ist Patt-Situation in Syrien egal"

Die Türkei hat gestern Abend ein syrisches Flugzeug, das aus Moskau nach Syrien unterwegs war, zur Landung gezwungen. Laut türkischen Angaben sollen sich Waffen an Bord des eigentlich zivilen Flugzeuges befunden haben. Russland gilt als einer der letzten Unterstützer des Regimes von Bashar al Assad - doch eine Alternative für eine friedliche Lösung hat auch der Kreml nicht zu bieten.

Mittagsjournal, 11.10.2012

"Keine internationale Fragen ohne Russland"

Es ist nicht das erste Mal, dass Gerüchte oder Berichte auftauchen, dass Russland das syrische Regime militärisch unterstütze. Viele davon werden in Moskau dementiert, aber bei weitem nicht alle. Dabei habe die Führung von Wladimir Putin das Interesse an Syrien eigentlich verloren, erklärt Fjodor Lukjanov, angesehener Außenpolitik-Experte und Herausgeber der Zeitschrift Russia in Global Affairs in Moskau.

"Die Russen sind nicht naiv. Es ist klar dass Assad früher oder später gehen wird. Aber es geht hier eigentlich nicht um Syrien, nicht einmal um den Nahen Osten. Es geht erstens darum zu zeigen, dass keine wichtige internationale Frage ohne Beteiligung Russlands gelöst werden kann und das haben wir glaube ich demonstriert. Und zweitens will Russland verhindern, dass das libysche Modell wiederholt wird. Das geht es nicht um Geschäftsinteressen, die können wir sowieso vergessen. Das ist eine grundsätzliche Frage: So geht es nicht."

Credo: Nicht einmischen

Im Libyen-Konflikt hat Präsident Medwedew der Intervention durch die Nato zugestimmt, was in Russland heute als großer Fehler gesehen wird. Man habe sich auf einen Kompromiss eingelassen und im Gegenzug kein einziges Zugeständnis in anderen Fragen bekommen. Deshalb kehrt Russland jetzt zu seiner früheren Politik der absoluten Nicht-Einmischung zurück: "Bürgerkriege können und dürfen nicht durch ausländische Interventionen entschieden werden." Ein eigenes Szenario habe Moskau aber nicht.

"Russland hat sich immer wieder für einen Dialog eingesetzt, aber das ist leider wenig wahrscheinlich. Es ist schon zu viel Blut vergossen worden. Beide Seiten haben sich radikalisiert und die Opposition ist ja auch alles andere als einig", so Lukjanov.

"Syrien-Konflikt beschert Russland keine Nachteile"

In Syrien herrsche eine Patt-Situation, doch Russland sei das am Ende eigentlich egal. Als aktiver Spieler habe es sich aus der Region zurückgezogen. Die Schwerpunkte der russischen Außenpolitik liegen jetzt woanders, etwa in Ostasien und dem Pazifik.

Anders als die USA könne und müsse Russland nicht überall präsent sein, sagt Außenpolitikexperte Fjodor Lukjanov: "Zynisch gesagt, für Russland entstehen aus der jetzigen Situation keine Nachteile. Wenn Assad gestürzt wird und ein islamistisches Regime entsteht, wäre das für uns schlecht. Es wäre wie ein Bumerang für unsere islamischen Regionen im Nordkaukasus. Aber jetzt sind alle radikalen islamistischen Kräfte in Syrien gebunden. Wenn sie dort frei werden, gehen sie in die Nachbarländer."