Studie fordert Rechtsanspruch auf Familienzeit

Warum kommen in Mitteleuropa immer weniger Kinder zur Welt? Mit dieser Frage hat sich eine internationale Forschergruppe beschäftigt. Sie hat die Lage in Deutschland, Österreich und der Schweiz unter die Lupe genommen und ist dabei auf ganz ähnliche Entwicklungen gestoßen. Geld allein ist nicht die Lösung, sagen die Forscher und fordern neue Familienzeit-Modelle.

Abendjournal, 15.10.2012

Stress durch "Lebens-Rush-Hour"

Es beginnt damit, dass Frauen heute wesentlich älter sind als früher, wenn sie ihr erstes Kind bekommen. Durchschnittlich fast 28 Jahre in Österreich, sogar fast 30 in der Schweiz. Hans Bertram von der Berliner Humboldt-Universität meint, dass dies dann in den mittleren Lebensjahren zu einer massiven Stressbelastung führe.

Die verlängerte Ausbildung, die Unsicherheit beim Übergang von Ausbildung zum Beruf, die späte Entscheidung für Kinder, die späte Entscheidung für einen festen Partner hätten zu einer Kumulation wichtiger Lebensereignisse in einer sehr kurzen Lebensphase geführt, sagte Bertram. Diese sei als "Rush hour des Lebens" hinlänglich bekannt.

Flexiblere Familienzeit-Modelle gefordert

Als möglichen Ausweg skizziert die Forscherrunde das Modell eines Rechtsanspruchs auf Familienzeit jenseits der heute üblichen starren Modelle. "Familie braucht Zeit. Deshalb fordern wir erweiterte Familienzeit-Modelle, die über eine Elternzeit von drei Jahren in Deutschland oder eine Karenzzeit von 2 Jahren in Österreich hinausgehen", sagte Wirtschaftsforscherin Katharina Spieß.

Das bedeutet: Es sollte Zeit für die Familie, die Möglichkeit zum vorübergehenden Ausstieg aus dem Beruf, auch später geben, etwa bei Schul- oder Wohnungswechsel oder Erkrankung eines Kindes. In späteren Jahren könnte dafür länger gearbeitet werden, so jedenfalls der Ansatz der Studie.

Noch zwei Forschungsergebnisse: Mit Geld allein könnte man nicht für höhere Geburtenraten sorgen. Und Berufstätigkeit der Frau sei prinzipiell kein Hindernis für den Kinderwunsch. So haben Frauen in den USA und in Schweden im Vergleich viel mehr Kinder und stehen trotzdem in größerem Ausmaß im Beruf.