Süditalien: Arbeiter stürmen Stahlfabrik

Nach monatelangem Kräftemessen mit Gerichten und Behörden hat die Fabrikleitung des Stahlgiganten ILVA im süditalienischen Taranto erklärt, sie sehe sich außerstande die geforderten Umweltauflagen zu erfüllen. Sie werde das Werk daher schließen. Konfrontiert mit dem Verlust ihres Jobs haben tausende Arbeiter die Fabrik gestürmt und besetzt.

Morgenjournal, 28.11.2012

Schließung nach Haftbefehl

Es geht nicht um irgendeine Stahlfabrik, es geht um die größte Stahlschmiede Europas, um Italiens wichtigsten Stahllieferanten, an dem ein Großteil der nationalen Industrie hängt. Und es geht um tausende Arbeitsplätze ohne Alternative in und um Taranto, wo das Risiko, an Krebs zu erkranken deutlich höher ist als anderswo: Schuld ist daran ist wiederum das genannte Stahlwerk, das den Beinamen "Fabbrica dei Veleni" trägt, Gift-Fabrik.

Eine streitbare Richterin macht seit Monaten juristisch Druck auf Fabrikleitung und Politik, radikal zu sanieren und jahrzehntelange fatale Versäumnisse gut zu machen - mit mäßigem Erfolg. Und sie fördert mit jedem Tag neue kriminelle Machenschaften zutage: jahrelangen Betrug, Fälschung und Korruption, um Umweltauflagen zu umgehen. Gestern hagelte es neue Haftbefehle für Firmenbosse und Komplizen. Daraufhin machte die Firmenleitung dicht. Und die Arbeiter gingen wütend und verzweifelt auf die Barrikaden: "Man nimmt uns unsere Arbeit. Was gehen uns diese Probleme an, die kommen von denen da oben."

Kein Geld für Sanierung

Seit Monaten tobt ein übler Streit in Taranto. Arbeit gegen Gesundheit, Gewerkschaften, Arbeiter und Unternehmer gegen Mediziner und Richter, Politiker attackieren die Justiz, beide liefern sich eine Schlacht um Zuständigkeiten und Grenzwerte. Die Krise der Megafabrik Ilva ist ganz oben auf der langen Liste der Problembetriebe der italienischen Industrie. Im Sommer hat Premier Monti gleich drei Minister zum Vermitteln nach Taranto entsandt. Am Drama Ilva wird die Regierung der Professoren einmal mehr beweisen müssen, ob sie den Problemen gewachsen ist, die eine verantwortungslose und korrupte Politik und Unternehmerschaft über Jahrzehnte angehäuft haben.

Öffentliches Geld für die Sanierung der Giftfabrik und ihrer versuchten Umgebung wird es nicht geben. Italiens Schuldenkrise ist gegenwärtig zwar unter Kontrolle, aber die Staatskassen sind leer. Für morgen ist in Rom eine Krisensitzung aller Beteiligten geplant. Die Arbeiter haben angekündigt, in der Hauptstadt aufzumarschieren.