"Die Wand" in der Burgtheater-Feststiege

Eine Premiere in ungewöhnlichem Rahmen gab es gestern Abend am Wiener Burgtheater: Auf einer der beiden Feststiegen wurde eine Bühnenadaption von Marlen Haushofers Roman "Die Wand" geboten. Die Geschichte jener Frau, die sich eines Morgens auf einer Jagdhütte von einer unsichtbaren Wand eingeschlossen findet, ist ja derzeit auch als Kinofilm zu sehen. Die Burgtheater-Fassung stammt von der Schauspielerin Dorothee Hartinger, die den Abend im Alleingang bestreitet.

Morgenjournal, 7.12.2012

Etwa fünfzig Gäste sitzen, in ihre Wintermäntel gepackt, am Fuße der wenig beheizten Feststiege des Burgtheaters; draußen hört man leise den Verkehr vorbeirauschen, der Christkindlmarkt am Rathausplatz ist in Sichtweite.

Unmittelbar vor der ersten Sitzreihe legt Dorothee Hartinger als Erzählerin in Marlen Haushofers "Die Wand" ihr ungewöhnliches Lebenszeugnis ab. Selten war ein Abend am Burgtheater wohl so intim wie der gestrige.

Allein mit sich selbst

So intim wie der Rahmen ist aber auch die Geschichte selbst: Von einer unsichtbaren, unüberwindbaren Wand umgeben, ist eine Frau plötzlich auf sich selbst zurückgeworfen. Umgeben von Wäldern und Almen, muss die Erzählerin allein überleben - ein Mensch, der durch harte Arbeit versucht, sich mit der Natur in Einklang zu bringen.

Geblieben sind ihr ein Hund, eine Katze und eine Kuh, denen sie sich liebevoll zuwendet. Woher die Wand kommt und was mit der Welt dahinter passiert ist - diese Frage wird bald zweitrangig.

Kein Gefängnis, sondern Schutz

Sprachlich hat Dorothee Hartinger an der Romanvorlage nichts geändert, sondern lediglich gekürzt. In ihrer Bühnenfassung, in der nur sie selbst auftritt, verkörpert Hartinger die namenlose Romanheldin, die in Form eines Berichts auf das Erlebte zurückblickt.

Auf abgeklärte Weise und doch zutiefst nachvollziehbar erzählt sie über ihre strukturierten Tagesabläufe, den Schmerz über den Verlust von Katzenjungen oder die Freude über einen Schlag reifer Himbeeren.

Nur selten melden sich dazwischen Erinnerungen an früher zurück. Die Wand sei für die Erzählerin weniger eine Gefängnismauer, sondern eher ein Schutz vor der Außenwelt, sagt Dorothee Hartinger.

Bilder im Kopf

Inmitten des prunkvollen und doch kalten Ambientes der Feststiege schafft Dorothee Hartinger das, was gutes Theater ausmacht: Nämlich Bilder im Kopf entstehen zu lassen. Das Premierenpublikum bedankte sich mit langanhaltendem Applaus.

Service

Ö1 Club-Mitglieder bekommen im Burgtheater ermäßigten Eintritt (zehn Prozent).

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