Aus für Alzheimer-Forschung in Wien

Am Wiener Donauspital wird in drei Wochen das renommierte Ludwig-Boltzmann Institut für Altersforschung geschlossen - aus Geldmangel, wie es heißt. Und das obwohl bis zuletzt mit Erfolg geforscht wurde. So belegt die "VITA-Studie", eine der weltweit größten Untersuchungen zur Früherkennung von Demenz, dass Stress einer der Hauptverursacher von Alzheimer ist.

Mittagsjournal, 8.12.2012

Kortisol erhöht Demenzrisiko

Je höher der Spiegel des Stresshormons Kortisol im Blut ist, desto höher ist das Demenzrisiko. Das ist das Aufsehen erregendste und wie es scheint – das letzte Forschungsergebnis des Ludwig-Boltzmann-Institutes für Altersforschung. Seit dem Jahr 2000 hatten an der VITA-Studie insgesamt 606 Pensionisten im Alter von 75 Jahren teilgenommen. Und da hat sich eindeutig gezeigt, dass jene mit den höchsten Kortisol-Werten ein doppelt so hohes Demenzrisiko hatten wie jene mit den niedrigsten, so Studienautor und Vorstand der Psychiatrie am Donauspital Peter Fischer: "Es ist auch interessant, dass das Kortisol ein Risikofaktor ist. Es ist aber auch sehr interessant, dass andere Substanzen die Demenz überhaupt nicht vorhersagen."

Weitere Forschungen nötig

Etwa hatte man die Geschlechtshormone Testosteron bzw. Östrogen im Verdacht, eine Rolle zu spielen. Tun sie aber nicht, so Fischer. Hingegen ist ein Mangel an Folsäure, wie die Wiener Wissenschaftler nachweisen konnten, ein wesentlicher Demenz-Faktor. Fischer erklärt: "Es gibt allein in unserem Gehirn über 100 Enzymreaktionen, wo Schäden am Erbmaterial in Nervenzellen und Zellen des zentralen Nervensystems durch Folsäure repariert werden."

Diese Ergebnisse zu Stress und Folsäure – die weltweit Anerkennung gefunden haben – seien elementar, so Fischer und führten zu weiteren, offenen Fragen. Unklar ist zum Beispiel, ob sich seelischer oder ob sich körperlicher Stress stärker auf das Demenzrisiko auswirkt. "Wir haben es bis jetzt nicht unterscheiden können, ich glaube auch, dass diese Befunde erst repliziert werden müssen. Es müssen andere große Studien versuchen, das nachzuvollziehen und dann versuchen, diese verschiedenen Stressoren noch genauer zu messen, um darauf zu kommen, welcher Stress es ist", erläutert Fischer.

Folsäure-Normwerte überdenken

Auch sollte man die bis dato gültigen Normwerte für Folsäure im Blut überdenken. Fischer führt aus: "Man überlegt sich heute, ob die Folsäurespiegel nicht anders normiert werden sollen. Leute mit eher niederem Wert sollten Folsäure substituieren." Denn die Studie habe eines gezeigt: ältere Frauen und Männer die zusätzlich zur Nahrung Folsäure-Tabletten bekommen werden, seltener dement. "Wir haben jetzt sogar zeigen können und publiziert, dass die Leute, die das wenigstens sechs Monate gemacht haben, relativ seltener dann Alzheimer bekommen haben", sagt Peter Fischer

Traurig sei, so Fischer, dass das Institut jetzt schließen müsse. Es gebe nach wie vor Daten, die darauf warten würden analysiert zu werden, doch dazu fehle in Österreich das Geld. Und so werden jetzt vermutlich Kooperationspartner aus der Schweiz, Deutschland, Japan und den USA das Werk der Wiener Alzheimer-Forscher fortsetzen.