Mehr Therapie für Kinder auf Krankenschein

Nicht einmal eine/r von hundert Patientinnen und Patienten mit einem seelischen Leiden bekommt eine Psychotherapie auf Krankenschein. Erst diese Woche kündigte Hauptverbandspräsident Hans Jörg Schelling an, die Krankenkassen würden in Zukunft mehr Psychotherapie zahlen. Das wäre dringend notwendig, vor allem bei Kindern und Jugendlichen.

Mittagsjournal, 2.2.2013

Kranke Kinder werden kranke Erwachsene

Rasche psychotherapeutische Hilfe ist selten. Kinder müssten meist ein halbes bis ein Jahr auf eine Therapie warten, kritisiert Eva Mückstein, Präsidentin des Bundesverbandes der Psychotherapeuten. "Die psychisch kranken Kinder, die nicht behandeln werden, sind mit hoher Wahrscheinlichkeit einmal die chronisch psychisch kranken Erwachsenen", so Mückstein.

Das ist ein Problem, das seit Jahren bekannt sei. Es gebe viel zu wenige Kontingentplätze, die von der Krankenkasse voll finanziert werden, kritisiert Mückstein: "Auch in dem Bereich, wo es um manifeste Auffälligkeiten mit Symptomen geht, gibt es viel zu wenig Möglichkeiten, Psychotherapie in Anspruch zu nehmen."

Nur bestimmte Therapeuten mit Kontingenten

Das umstrittene System der Therapie-Kontingentierung müsse nach zwanzig Jahren des Scheiterns geändert werden, damit jedes Kind, jeder Erwachsene unkompliziert den Psychotherapeuten seines Vertrauens aufsuchen könne, fordert Mückstein. "Nach dem Gesetz ist die psychotherapeutische Versorgung genauso zu organisieren wie die der Allgemeinmediziner", erklärt sie. Das heißt, es sollte Vertrags- sowie Wahlpsychotherapeutinnen und –therapeuten geben und die Patientinnen und Patienten sollten die freie Wahl haben.

Derzeit ist es so, dass nur bestimmte Therapeuten eine bestimmte Anzahl an Therapiestunden auf Kassenkosten anbieten dürfen. Sind diese von der Kassa jährlich bewilligten Stunden verbraucht, gibt es keine Therapie mehr, außer man zahlt sie sich selbst.

Vier Milliarden Euro Folgekosten

Kosten, die sich viele Eltern nicht leisten können. Im Durchschnitt kostet eine Stunde 80 Euro und das vier Mal im Monat. Wie die Krankenkassen in diesem Bereich agieren sei nur noch unverständlich, so Mückstein, denn die Folgekosten psychischer Erkrankungen seien derart hoch: "Sie wurden unlängst mit vier Milliarden Euro beziffert. Es wäre daher sehr vernünftig, die psychotherapeutische Behandlung zu sichern und auszubauen."

Vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger heißt es dazu: Man wisse um einen Nachholbedarf. Möglicherweise könne man einen kleinen Teil von den hundert Millionen Euro, die die Kassen bundesweit 2012 erwirtschaftet haben, in eine bessere psychotherapeutische Versorgung investieren.