Straßen als "Begegnungszonen"

Die Fußgänger, Radfahrer und Nutzer der öffentlichen Verkehrsmittel sind im Vormarsch: von Wienern etwa wird nur noch etwa ein Viertel der Wege im Auto zurückgelegt. Ein weiterer Meilenstein zur Reduktion des Autoverkehrs sind "Begegnungszonen" oder "shared spaces", wie sie laut Beschluss des Nationalrates vom 31. Jänner nun in die Straßenverkehrsordnung aufgenommen werden.

Pilotprojekte in Graz hatten gezeigt, dass Begegnungszonen Straßen wieder zum Ort der Kommunikation machen.

Morgenjournal, 5.2.2013

Die Erfahrungen mit "Begegnungszonen" haben gezeigt: Lässt man Verkehrszeichen und Bodenmarkierungen weitgehend weg, wird die Geschwindigkeit reduziert und Verkehrsteilnehmer verhalten sich rücksichtsvoll. Die gewollte Unsicherheit führt zu Blickkontakt und Kommunikation. Es scheint, als wollten die Verkehrsplaner mit solchen Maßnahmen die Zeit zurückdrehen. Als sei die Vision die Straße der 1950er Jahre, als Kinder im Winter in den Gassen der Großstadt noch rodeln konnten. Mit historischen Bildern hilft Verkehrsplaner Hermann Knoflacher an der TU Wien der Phantasie seiner Studenten gerne auf die Sprünge.

Wer kann sich heute noch vorstellen, wie die Straßen in den 1920er Jahren belebt waren von Kindern, Handwerkern und Verkehrsteilnehmern aller Art - dafür ohne Ampeln und Zebrastreifen? Der Zeitkritiker Anton Kuh beklagte schon damals, dass mit den ersten Verkehrsregeln der "Drill" Einzug hielt ins Wiener Straßenleben.

Die Freiheit der einen ist die Unfreiheit der anderen. So hat das Auto als Symbol des Fortschritts und der Moderne langsam vom Straßenraum Besitz genommen. Im Laufe der Jahrzehnte wurde aber aus dem Fahrzeug ein Stehzeug. Offensichtlich gehen die Verkehrsplaner davon aus, dass sich die paradiesischer Zustände der Vergangenheit zumindest teilweise wieder herstellen lassen. Und die Straßen wieder zum Lebens- und Kommunikationsraum werden können.