Roman von Doris Knecht
Besser
Es soll ja Leute geben, die auf die Nennung des Wortes "Bobo" - und erst recht auf das, was dieses Wort bezeichnet - mit der Ausbildung allergischer Pusteln reagieren. Für Zeitgenossen dieser Art gilt die Devise: Hände weg von Doris Knechts Roman. Denn bobohafter als dieser - in Sprache, Anmutung und Inhalt - kann ein Roman nicht daherkommen.
8. April 2017, 21:58
Wie in ihrem Romanerstling "Gruber geht" taucht Doris Knecht auch diesmal tief in das Milieu der Wiener Caffè-latte-Schickeria ein, in die Welt jener "Bourgeois Bohemiens", die als Youngsters in Lokalen wie dem "Flex" oder dem "Chelsea" abgehangen sind und sich jetzt, nach Absolvierung der Quarterlife-Crisis, mit den Mühen des Familienalltags abplagen.
Eigentlich Künstlerin
Um es rundheraus zu sagen: Knechts Heldin Antonia Pollak ist so was von Bobo, dass es fast schon ans Stereotype grenzt. Eigentlich versteht sich Antonia als Künstlerin, sie faltet Pappmaché-Collagen oder etwas in der Art, aber in gewissen Augenblicken muss sich Knechts Ich-Erzählerin eingestehen, dass sie sich seit längerer Zeit eigentlich primär als Hausfrau und Mutter verwirklicht.
Zwischen Blümchensex mit dem Gatten und liebender Kleinkind-Aufzucht findet Antonia allerdings immer wieder Gelegenheit, sich in den Armen eines Lovers - der Mann ist Kriegsreporter - über die Einförmigkeiten des Familienalltags hinwegzutrösten. In einer Szene gleich zu Beginn des Romans bereitet die Heldin sich im Kreise ihrer Lieben auf eine Essenseinladung vor:
Zitat
Jetzt fünf Minuten für mich. Fünf Minuten unter der Bettdecke. Fünf Minuten Autonomie, bevor ich wieder nur Frau und Mutter bin, Mutter und Frau. Fünf Minuten, bevor ein Rudel hipper Eltern bei uns einmarschiert, mit denen ich hippe Jung-Eltern-Gespräche führen werde, als wäre ich genauso wie sie.
Guter Schmäh
Es gibt eine Menge hippe Jung-Eltern-Gespräche in Doris Knechts Roman. Das liest sich angenehm und fluffig, auch weil die Knecht die milieuspezifische Idiomatik draufhat und über einen guten Schmäh verfügt. Knechts Heldin Antonia, so erfahren wir nach wenigen Seiten, ist mit einem netten, linksliberalen Immobilienentwickler verheiratet (gibt's sowas?), einem sympathischen Burschen von eher phlegmatischem Naturell. Dass der Ehegespons ausgerechnet Adam heißt, darf wohl als Anspielung auf einen paradiesischen Geschlechtsgenossen gleichen Namens verstanden werden.
Zitat
Adam. Manchmal möchte ich ihm ins Gesicht schlagen und ihm etwas darüber erzählen, dass das Leben in Wirklichkeit nicht so ist, wie er es sich vorstellt. Aber für ihn ist es so. Sein Leben war immer so. Er liest Zeitungen und schaut Nachrichten, er weiß, was alles passieren kann, es ist ihm klar, dass es anderen Leuten dreckig geht, und er fängt an, sich darüber Gedanken zu machen, aber mit ihm zu tun hat es eigentlich nichts. So was kann ihm nicht passieren... Er geht, seit ich ihn kenne, mit demselben Ergebnis zum selben Friseur. Er hat eine Menge Geld, er gibt es aus, er wirtschaftet damit, es bedeutet ihm nichts. Es ist nur Geld, und es ist zufällig da. Bei ihm. Er liebt das Geld nicht. Er liebt das, was er damit machen kann. Er liebt seine Kinder. Und er liebt mich. Er hat mich gesehen, er hat mich gespürt, und nun liebt er mich eben.
Das alles klingt nach wohligster, kuscheliger Geborgenheit. Doch Doris Knechts Protagonistin hat - wie heißt das in der Kolportage-Literatur so schön? - ein dunkles Geheimnis. Und damit beginnen die Probleme, nicht bloß für die Protagonistin, auch für den Leser.
Unglaubwürdiges Vorleben
Das Hauptproblem: Man kauft Knecht den Plot nicht ab, den sie da auf durchaus schleißige Weise entwickelt. In Antonias früherem Leben, so wird in vage gehaltenen Rückblenden angedeutet, hat es abgründige Verwicklungen gegeben, Gewalt und Drogen scheinen eine Rolle gespielt zu haben, was genau im früheren Leben der Protagonistin passiert ist, erfahren wir nicht. Außerdem tritt ein böser Mann aus Antonias Vergangenheit in ihr behütetes Dasein, ein geheimnisvoller Brutalo in Bomberjacke, zu dem Knechts Heldin sich auf irgendwie perverse Weise hingezogen fühlt.
Mit Verlaub: Das funktioniert nicht. Von der Klischeehaftigkeit des Plots einmal abgesehen. Weder glaubt man der intellektuellen Szene-Plaudertasche Antonia ihre dunkle Vergangenheit, noch trägt der schwache Grundkonflikt - mehr herbeigeraunt als stimmig ausgeführt - die Konstruktion des Romans.
Fit statt fett
Doris Knecht kann schreiben, das weiß man, und das zeigt sie natürlich auch in diesem Buch. Dramaturgisch mag der Roman schwächeln, dennoch punktet die Autorin immer wieder mit treffenden Beobachtungen und witzigen Formulierungen. Im Selbstverwirklichungs-Milieu der etablierten Mittelschicht zum Beispiel, so erfährt man, sind Korpulenz und Dicksein absolute No-Gos:
Zitat
Die Frauen in meinem Freundeskreis sind spätestens ein Jahr nach der Entbindung wieder schlank oder in der Nähe davon... Man sollte einen gut trainierten, schlanken, gesund ernährten Körper präsentieren... Das ist wichtig. Es geht schließlich um die Gesundheit. Und um Selbstbeherrschung, die man zwar punktuell einem kurzen Fress-, Sauf- oder Drogen-Exzess opfern darf. Natürlich verschließt sich niemand einem kulinarisch einwandfreien Gelage, gut zu essen ist eine Kunst, deren Ausübung einen als kulturellen Hegemonisten adelt. Aber wer gut essen kann, muss dazwischen eben auch die Kunst des Verzichts beherrschen, das ist quasi das Yin und Yang unserer Körperkultur. Man braucht eine gute Gesamtkonstitution und einen fitten, unfetten Körper. Denn am Körper zeigt sich ja, wer der Herr über dessen Gepräge ist: man selbst oder die Gier, und wenn man nicht einmal der Gier, dem bissl Trieb gewachsen ist, wie dann den Anforderungen des Lebens und der Zeit? Dick sein ist ein Zeichen von Faulheit und Trägheit, und wer faul und träge ist, wird früher oder später von der Krise überrollt werden wie von einem Tsunami. Nur wer wendig und im Training ist, der ist auch für die Krise gewappnet.
Mit "Besser" hat Doris Knecht einen flotten, amüsanten Unterhaltungsroman über die Liebe in Zeiten der Eurokrise geschrieben. Das Buch hat seine Insuffizienzen, wie erwähnt. Dennoch wird es sein Publikum finden. Weil es einfach saugut geschrieben ist.
Service
Doris Knecht, "Besser", Hoffmann und Campe