Bürger treiben soziale Innovationen voran
Krisenzeiten scheinen gute Zeiten für Innovationen zu sein: Im Weißen Haus wurde kurz nach der Amtseinführung von US-Präsident Barack Obama ein "Office of Social Innovation" eingerichtet. Immer mehr Regierungen und Unternehmen scheinen soziale Innovationen als Mittel zur Bewältigung der Wirtschaftskrise zu sehen. Viele gesellschaftliche Erneuerungen kommen jedoch von den Bürgern und Bürgerinnen.
27. April 2017, 15:40
Mittagsjournal, 29.3.2013
Gründe: Wirtschaftskrise, Klimawandel
Teilen statt besitzen, tauschen statt kaufen, ernten statt konsumieren – soziale Innovationen finden in vielen gesellschaftlichen Bereichen statt. Die Konjunktur dieser neuen Trends wie "Carsharing" oder "Urban Gardening" finde vor dem Hintergrund von Ressourcenknappheit, Klimawandel und nicht zuletzt der andauernden Wirtschaftskrise statt, bestätigt der Soziologe Josef Hochgerner, Gründer und Leiter des Zentrums für Soziale Innovation in Wien.
Die aktuelle Diskussion über soziale Innovation sei deswegen so hochpolitisch geworden, weil wir in einer Krisensituation leben, so Hochgerner, weil beobachtbar sei, dass Technologien, neue wirtschaftliche Marketingmaßnahmen und ähnliche Innovationen nicht die Probleme lösen, vor denen wir stehen.
Alle Innovationen sozial relevant
Aus Sicht des Soziologen Hochgerner sind alle Innovationen sozial relevant, egal ob technische Erfindungen oder neue Wirtschaftsmodelle. Erst wenn eine Erneuerung Rollenbilder und gesellschaftliches Verhalten ändert, spricht man von einer sozialen Innovation: "Es gibt unter diesen Innovationen auch solche, die spezielle Ansprüche erfüllen, nämlich gesellschaftliche Probleme zu lösen. Das Kriterium ist hier eine neue Idee angenommen und wirklich praktiziert wird."
Chancengleichheit ist ein Anliegen der sozialen Innovation. Dorothea Brozek ist in Wien als Unternehmensberaterin tätig. Ihr Schwerpunkt liegt auf den Themen Behinderung und soziale Vielfalt in der Arbeitswelt. Soziale Innovation bedeutet für sie vor allem Gleichberechtigung: "Also nicht, dass wir soziale Innovationen machen, weil wir die Schwachen unterstützen wollen und damit sie schwach bleiben, sondern damit die Schwachen stark werden können."
Erfolgreiches Beispiel: WAG-Assistenzgenossenschaft
Als Beispiel für eine erfolgreiche soziale Innovation nennt Dorothea Brozek die WAG-Assistenzgenossenschaft. Sie wurde 2002 von behinderten Menschen gegründet, um Persönliche Assistenz für mittlerweile mehr als 250 Kunden und Kundinnen zur Verfügung zu stellen. "Schwerbehinderte Menschen die Assistenz kriegen, die sie brauchen, können qualifizierte Berufe ausüben und der Gesellschaft wieder viel mehr ihre Ressourcen geben", so Brozek.
Es sei wichtig, solche Beispiele erfolgreicher sozialer Innovation in die Öffentlichkeit zu bringen, betont der Soziologe Hochgerner. Nur so steige die gesellschaftliche Bereitschaft neue Ideen in die Tat umzusetzen. "Gerade in den letzten zehn Jahren sind sehr viele solche Einrichtungen entstanden. Jetzt, seit zwei, drei, vier Jahren, kommt das Thema sehr stark in die Öffentlichkeit, das war vorher überhaupt nicht der Fall. Es ist aber jetzt auch noch nicht ausreichend", kritisiert Hochgerner.
Ö1-Sommerserie "Innovation.Leben"
Sozial innovativen Projekten, die bislang öffentlich unbeachtet geblieben sind, widmet Ö1 die Sommerserie "Innovation.Leben" im Rahmen des Programmschwerpunktes "Open Innovation". Ö1-Hörer und -Hörerinnen können Projekte vorschlagen, die zur Lösung eines gesellschaftlichen Problems beitragen. Ab Juli werden die ausgewählten Projekte im Ö1-Programm vorgestellt.
Wenn Sie eine Person oder eine Gruppe nominieren wollen, über die Ö1 im Zuge der Aktion berichten soll, dann reichen Sie ein: Innovation.Leben