"Stoker": Thriller in Hitchcock-Manier
Der aus Südkorea stammende Regisseur Park Chan-wook ist seit Jahren Stammgast bei großen europäischen Filmfestivals. 2004 hat er etwa für seinen Rachethriller "Old Boy" den Jury Preis in Cannes gewonnen. Nun hat der 49-jährige Regisseur erstmals einen Film in den USA gedreht.
8. April 2017, 21:58
Gut aussehend, gebildet, fremdsprachenkundig, Cabriofahrer - und kochen kann er auch noch. Gäbe es so etwas wie einen Bilderbuchonkel, Charlie (Matthew Goode) wäre die perfekte Verkörperung, und dennoch: Von Anfang an knirscht es im Beziehungsgebälk zwischen dem geheimnisvollen Verwandten und der 18-jährigen India (Mia Wasikowska).
Schon bald entwickelt sich ein Zweikampf der kriminellen Sonderklasse, denn freilich ist Onkel Charlies Fassade des Perfekten auch eine perfekte Fassade für Verbrechen aller Art, bevorzugt Mord.
Obsession für ausgestopfte Vögel
Wer kämpft hier gegen wen und was? Wer ist hier wer? Wer Täter, wer Opfer? Welche Rolle spielt die Vergangenheit, in der sich zahlreiche Geheimnisse verbergen? Es ist eine nur allzu bekannte Thriller-Konstellation, die der Film "Stoker" aufwirft und sich dabei am Hitchcock-Klassiker "Im Schatten des Zweifels" orientiert.
India macht bei der Lösung der Familienrätsel eine ambivalente Figur, sie selbst ist ja tendenziell autistisch und hypersensibel, hat eine Vorliebe für gewöhnungsbedürftige erotische Fantasien und eine Obsession für ausgestopfte Vögel. Der koreanische Regisseur Park Chan-wook: "Dieser Film erzählt auch eine etwas andere Entwicklungsgeschichte. Am Ende wird India nicht reifer, vernünftiger und erwachsener, sondern sich vor allem ihrer dunklen Seiten bewusster sein."
Stilisierung des Morbiden
Park Chan-wook hat sich für sein USA-Debüt "Stoker" erstmals ein fremdes Drehbuch (von Wentworth Miller) ausgesucht. Dieses wirkt allerdings wie ein Korsett, in dem er sich vergleichsweise nur bedingt austoben kann. Freilich, Parks bekannt visueller Spieltrieb ist ungebrochen, etwa in der Stilisierung des Morbiden und im Schüren von phobischen Angstzuständen. Da lässt er schon mal Insekten aller Art in Großaufnahme auf das Publikum los.
Krawattenmörder und Duschszene
Neben einer ausführlichen Figurenzeichnung, einer Kamera mit Anpirschqualität und bizarren Soundeffekten wildert Park auch in Hitchcocks Motivrevier, erinnert an den Krawattenmörder aus "Frenzy", an folgenschwere Ereignisse unter der Dusche und Sir Alfreds Faible für Treppenhäuser und den perfekten Mord. Manchmal wirkt Parks entfesselter Gestaltungswille ein wenig prätentiös, Mordgedanken kann man als Kinozuseher aber ausschließen.