Rechtsrock im modernen Gewand

Sie singen von Brauchtum, Heimat und Glaube und füllen in Deutschland und Österreich die größten Hallen. Die Südtiroler Deutschrockband Frei.Wild polarisiert. Vergangene Woche gab die Band vor rund 2.000 Grazer Fans ein Konzert, das gewaltfrei ablief.

Im Vorfeld musste die Polizei allerdings Fans der Gruppe und rund 60 Gegendemonstranten trennen. Ihr Album "Feinde deiner Feinde" verkaufte sich 100.000 Mal, Downloads nicht miteingerechnet. Frei.Wild sind längst im Mainstream angelangt. Doch wie sollen Medien und Musikindustrie mit diesem Erfolg umgehen? Im Rahmen der Festwochenprogrammschiene "Into the City" diskutieren heute Abend im Wien Museum Szenekenner und Musikexperten über Rechtsrock im modernen Gewand.

Kulturjournal, 17.5.2013

Alpenglühen, dörfliche Idyllen, Trachtenaufmärsche, die Tiroler Schützen und vier junge Männer mit trotzig verschränkten Armen vor einer schroffen Bergkulisse. Nein, das ist keine neue Folge des Allzeitquotenhits "Musikantenstadl", das ist ein Video der Südtiroler Band Frei.Wild. Diese bringt zusammen, was zumindest auf den ersten Blick nicht zusammen gehört: eine rotzige Punk-Rockattitüde gepaart mit Brauchtumspflege.

Der äußerst erfolgreiche Jodel-Rocker Andreas Gabalier hat es vorgemacht: Die kommerzielle Popkultur hat längst keine Angst mehr vor gewagten Hybriden. Man bedient sich recht ungeniert aus dem Fundus ästhetischer Codes.

Eingängige Melodien und einfach strukturierte Songs - vorgetragen mit einer guten Portion Zorn, der sich gegen nebulöse Mächte - auch bekannt als "Die da oben" - oder das Establishment richtet. Frei.Wild setzt auf ein allseits bekanntes Erfolgsrezept der Popkultur. Die Band positioniert sich nicht explizit rechts, stößt aber am rechten Rand an.

"Das sind einfache, ehrliche Jungs, die eigentlich gerade aus dem Proberaum kommen und jetzt auf den großen Bühnen der Welt stehen und ehrliche und authentische Musik machen und dazu dann auch noch singen, was sie denken, in den Texten. Also diese Inszenierung des sehr Authentischen. Ich glaube, das zusammengenommen macht den Reiz von Frei.Wild aus", sagt der Musikwissenschaftler Thorsten Hindrichs.

Gewagte Hybride

Wenn man genauer auf die Texte von Frei.Wild hört, die – man kann es nicht anders ausdrücken – selten mit Geistesblitzen brillieren, fällt auf, dass Frei.Wild nicht unbedingt teutonisch brachial auftritt. Textzeilen wie "Du kannst dich nicht drücken auf dein Land zu schauen/ Denn deine Kinder werden darauf bauen" erinnern eher an die bescheidene Poesie von zweitrangigen Verseschmieden und Heimatdichtern aus lange vergangenen Tagen. Ungelenke Reime auf Volksschulniveau, die eigentlich albern, mindestens aber altbacken klingen. Trotzdem begeistert Frei.Wild eine stetig wachsende jugendliche Fangemeinde. Warum, weiß der Musikwissenschaftler Thorsten Hindrichs:

Nebulöse Mächte

"Das mag beispielsweise so etwas wie ein gefühlter Identitätsverlust sein, der durch die Texte insbesondere bei Frei.Wild aufgefangen wird und wenn sich jetzt noch eine allgemeinere Identitätskrise dazugesellt: Wer sind wir? Wer wollen wir sein? Wo gehören wir hin?, dann bieten Frei.Wild auf diese doch sehr elementaren Fragen erstmal relativ einfache Antworten: Wir sind ein Volk!", sagt der Musikwissenschaftler Thorsten Hindrichs, der heute Abend gemeinsam mit dem deutschen Rapper Chaoz One und anderen Szenekennern im Rahmen des Festivals "Into the City" über neue Tendenzen im Rechtsrock diskutieren wird. Die Sogwirkung dieser Musik ist schnell erklärt: Man gibt einfach Antworten auf komplexe Fragen.

100.000 Mal verkaufte sich das im Oktober 2012 erschiene Frei.Wild-Album "Feinde deiner Feinde". 2013 wurde die Band für den deutschen Musikpreis "Echo" nominiert. Diese Nominierung wurde allerdings zurückgezogen, nachdem mehrere namhafte deutsche Musiker und Musikerinnen – darunter die Band Die Ärzte – lautstark protestierten. Daraufhin entbrannte eine deutschland- und österreichweite Diskussion. Sie wird heute Abend im Wien Museum weiter geführt.

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