Helnwein-Schau in der Albertina
Bandagierte Körper, verwundete Kinder und Comicfiguren, die aussehen wie eine alptraumhafte Heimsuchung. Der Künstler Gottfried Helnwein war einst umstritten, heute zählt er zu den bedeutendsten österreichischen Gegenwartskünstlern.
8. April 2017, 21:58
Seinen internationalen Ruf begründete Helnwein mit hyperrealistischen Darstellungen von Kindern. Im Oktober feiert der gebürtige Wiener seinen 65. Geburtstag. Aus diesem Anlass widmet ihm die Albertina eine große Retrospektive.
(c) Albertina
Mittagsjournal, 21.5.2013
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Jedes Bild eine Herausforderung. Diesem Leitsatz scheint Gottfried Helnwein seit seinen künstlerischen Anfängen gefolgt zu sein: Da bohren sich chirurgische Instrumenten in Augenhöhlen, da reißen Wundklammern Münder gewaltsam auf, da sieht man Kindergesichter, die von Narben grauenhaft entstellt sind. Gottfried Helnwein hat eine verstörende Bilderwelt geschaffen, in deren Zentrum der versehrte und gefolterte Körper steht.
Vor allem seine radikale Darstellung von misshandelten Kindern hat Helnwein das Etikett des Schockmalers eingebracht. Eine Kritikerschublade, mit der der Künstler nichts anfangen kann. Aufgewachsen im bigotten Nachkriegsösterreich, sei er vielmehr von einer katholischen Ikonografie des Schmerzes geprägt worden:
Der versehrte und gefolterte Körper
"Das waren auch die ersten Eindrücke meiner Kindheit", sagt Helnwein. "Meine Familie war erzkatholisch und ich habe die meiste Zeit meiner Kindheit in kalten Kirchenschiffen verbracht und die einzige Kunst, die ich gesehen habe, waren Leute, die durchbohrt waren von irgendwas, blutüberströmt waren. Man hat Folterwerkzeuge gesehen, heilige Leichname. Es ging immer um Blut, Schmerz, Demütigung, Sterben und Tod."
Der wehrlose Kinderkörper als Einschreibfläche gesellschaftlicher Machtverhältnisse ist das Leitmotiv von Helnweins Kunst. In seinen hyperrealistischen, ja fast altmeisterlich gearbeiteten Gemälden stellt Gottfried Helnwein aber auch Kinder dar, die sich aus der Opferrolle befreien. Viele dieser Bilder erreichen geradezu monumentale Maßstäbe, 4 mal 6 Meter sind keine Seltenheit. Darauf: Gepuderte Kindergesichter, vielleicht die untoten Wiedergänger der Geschundenen. Seit seinen künstlerischen Anfängen in den 1970er Jahren, sagt Gottfried Helnwein, habe er sichtbar gemacht, was sich hinter verschlossenen Türen abgespielt:
"Gerade in den letzten Jahren wird das Ausmaß des Kindesmissbrauchs in Österreich deutlich – nicht nur in kirchlichen, sondern in staatlichen Institutionen. Diese grauenhaften Vorgänge sind erst jetzt, Jahrzehnte später in die Öffentlichkeit gekommen. Das heißt in der Gesellschaft, in der ich gelebt habe, sind Kinder so misshandelt, gefoltert, umgebracht worden", sagt Gottfried Helnwein.
Die Welt des Comics
1948 wird Gottfried Helnwein in Wien geboren. An das Wien der Nachkriegszeit erinnert er sich als Ort des kulturellen Kahlschlags. Als sein Vater eines Tages ein Comicheft mit nach Hause bringt, wird die Begegnung mit Donald Duck und Mickey Mouse für Helnwein zur Offenbarung: "Ich hab damals dieses Heft geöffnet und ich weiß, es war wie der Eintritt ins Himmelreich. Es war ein Schock. Das erste Mal habe ich eine Welt betreten, die dreidimensional war, in der es unglaubliche Farben und unbegrenzte Möglichkeiten gegeben hat und das hat mich unglaublich beeindruckt."
Die Liebe zum Comic sollte Helnwein entscheidend prägen. Figuren aus Comics tauchen immer wieder in seinen Bildern auf, mutieren aber oft vom Kindertraum zum Alptraum. Besonders bekannt seine hämisch grinsende Mickey Mouse.
Ab Samstag ist in der Albertina die größte Helnwein-Retrospektive zu sehen, die es im deutschsprachigen Raum je gegeben hat. Die Ausstellung zeigt Arbeiten aus allen Schaffensperioden des Künstlers. Eine Gelegenheit, Gottfried Helnwein, der Österreich schon lange verlassen hat und abwechselnd in Los Angeles und Irland lebt, hierzulande neu zu entdecken.