Revolution der Künstler/innen
Sängerin und "Art but fair"-Initiatorin Elisabeth Kulman, Staatsoperndirektor Dominique Meyer und Theater-an-der-Wien-Intendant Roland Geyer diskutieren über hochqualifizierte, aber notorisch unterbezahlte Künstler und die oftmals entwürdigenden Umstände, unter denen sie an Opernhäusern und bei namhaften Festivals arbeiten.
8. April 2017, 21:58
(c) Julia Wesely
Kulturjournal, 24.05.2013
Fünfzig Euro Grundgage pro Vorstellung in einem bayerischen Volkstheater, das mache einen Stundensatz weit über zwei Euro; damit könne man in Bangladesh eine ganze Woche überleben. Manchmal hilft nur noch Zynismus, wenn Kunstschaffende auf der Facebook-Seite "Die traurigsten und unverschämtesten Künstlergagen und Auditionserlebnisse" von ihrem Berufsalltag berichten.
Die finanzielle Lage der Theaterhäuser wird immer schwieriger, und die Intendanten wälzen die Last auf jene ab, die keine Lobby hinter sich haben - also die Kunstschaffenden. So zumindest empfinden es viele - vor allem freischaffende - Schauspieler und Sängerinnen, die ihrem Frust öffentlich Luft machen. Dass der Weg nach oben schwierig ist, wisse sie aus eigener Erfahrung, sagt die Mezzosopranistin Elisabeth Kulman, die bekannteste Proponentin des Künstler-Protests.
Probengelder gestrichen
Auch in der sogenannten "Oberliga" wird der finanzielle Druck spürbar, wie Kulman selbst am Beispiel der Salzburger Festspiele aufgezeigt hat. Alexander Pereira, der 2014 wie berichtet ein Budget von 61 Millionen Euro zu Verfügung hat und damit den Sparstift ansetzen muss, habe schon zu Beginn seiner Amtszeit die Probengelder bei mehrwöchigen Opernproduktionen ersatzlos gestrichen, kritisiert die Sängerin.
Wie ist das Probenentgelt an anderen Häusern geregelt? Im Theater an der Wien etwa werde das unterschiedlich gehandhabt, sagt Intendant Roland Geyer. Viele Künstler wünschten sich sogar statt einer Probenpauschale eine höhere Abendgage.
Geyer spricht es offen an: Auch der Kunst- und Kulturbetrieb gehorcht immer mehr den Marktgesetzen, die öffentliche Hand zieht sich aus der Kunstförderung nach und nach zurück. Auch für Staatsoperndirektor Dominique Meyer ist das die Hauptursache für die aktuelle Diskussion. Er wünscht sich ein geschlossenes Auftreten des ganzen Kulturbetriebs gegenüber der Politik.
Art but fair
Sind Künstlerinnen und Künstler die Hauptleidtragenden eines Kulturbetriebs, dem immer weniger Mittel zu Verfügung stehen? In den vergangenen Wochen wurde vermehrt Kritik an der Künstlergewerkschaft laut, diese setze sich zu wenig für die Interessen der Künstler ein. Dazu meldete sich gestern Abend aus dem Publikum Fritz Peschke zu Wort. Er ist Zentralbetriebsrat der Bundestheater-Holding und Gewerkschafter.
Peschke sieht das Problem nicht nur bei der Politik, die im Zweifelsfall zuerst bei der Kultur kürze, sondern auch bei den Künstlern selbst. Jahrzehntelang habe er sich etwa bei den Salzburger Festspielen um einen Künstler-Kollektivvertrag bemüht, doch viele Künstler hätten diesen gar nicht gewünscht, so der Gewerkschafter. Es mangle an Solidarität unter den Kunstschaffenden.
Wie weit es mit der Solidarität der Kunstschaffenden tatsächlich geht, wird sich auch am Erfolg des Gütesiegels "Art but fair" zeigen, das gerade im Entstehen ist. Kulman und ihre Mitstreiter erarbeiten sogenannte "Goldene Regeln" für alle Bereiche des Kulturbetriebs und für die Kulturpolitik. Am Ende also erging der Appell an aktive und zukünftige Kunstschaffende, ihr Einzelkämpferdasein aufzugeben und gemeinsam um ihre Rechte zu kämpfen.