Ex-Heimkinder: Keine Einsicht in Akten
Ehemalige Heimkinder bekommen keine Einsicht in ihre Akten beim Jugendamt. Akten, die ihre persönliche Lebensgeschichte betreffen und die zum Beispiel Hinweise auf die Eltern geben könnten, die manche Heimkinder nie kennengelernt haben. So ist es auch im Fall eines 51-jährigen Salzburgers. Ihm erlaubt die Salzburger Jugendwohlfahrt nicht, seine Akten einzusehen.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 31.5.2013
Land: "Jugendwohlfahrt nicht als Behörde tätig"
In etwa fünf verschiedenen Kinderheimen im In- und Ausland hat die Salzburger Fürsorge beziehungsweise Jugendwohlfahrt einen heute 51-jährigen Salzburger untergebracht. Er ist seiner Aussage nach Opfer von brutalen Strafen, Fesselungen und sexuellem Missbrauch geworden. Seit einem Dreivierteljahr versucht er nun, Einsicht in seinen Jugendamtsakt zu erhalten. Er will unter anderem herausfinden, wer seine Eltern waren - ohne Erfolg: "Ich habe bis heute – trotz vereinbarter Termine – gar nichts gesehen. Es ist deprimierend, dass das von amtlicher Seite die ganze Zeit blockiert wird."
Das Land Salzburg beruft sich zwar nicht auf das Amtsgeheimnis, aber darauf, dass die Jugendwohlfahrt nicht als Behörde tätig sei, sondern privatrechtlich. Es gebe ein jahrzehntealtes Urteil des Verfassungsgerichtshofs, wonach deshalb die Jugendwohlfahrt keine Akteneinsicht gewähren müsse.
Kinderanwältin bezeichnet Vorgehen als "menschenrechtswidrig"
Der Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk sagt aber: "Entscheidend ist, dass sie Verfügungen getroffen hat, die Personen betroffen haben. Diese Personen haben auf jeden Fall ein Recht darauf, welche Entscheidungen von wem getroffen wurden und aus welchen Gründen. Es gibt neben dem Recht auf Akteneinsicht auch ein allgemeines Auskunftsrecht."
Kinderanwältin Andra Holz-Dahrenstädt spricht von menschenrechtswidriger Vorgangsweise: "Wenn die Akteneinsicht Betroffenen verwehrt wird, ist das aus meiner Sicht unhaltbar. Für mich geht es da eigentlich um Behördenschutz."
Grund möglicherweise Finanzsorgen
Tatsächlich sagt ein Landesbediensteter, der ungenannt bleiben will, dass die ehemaligen Heimkinder nur grobe Informationen über Akteninhalte bekämen. Denn wenn sie Einblick in die Akten hätten, könnten sie Argumente finden, das Land Salzburg auf Schmerzensgeld zu klagen. Durch Schmerzensgeldklagen aber hätte das Land finanzielle Nachteile zu befürchten.
Dieser finanzielle Aspekt sei der Grund, warum der zuständige Landeshauptmannstellvertreter Walter Steidl von der SPÖ zwar im April ankündigte, dass die ehemaligen Heimkinder doch Akteneinsicht bekommen sollen, aber der Ankündigung keine Taten mehr folgen lässt. Salzburg ist ja im Umbruch, die SPÖ künftig wohl nicht mehr in der Landesregierung, Steidl wollte auch kein Interview geben.
In anderen Bundesländern Akteneinsicht
Die Stadt Wien hingegen gewährt Ex-Heimkindern schon seit drei Jahren Akteneinsicht, wenn nötig wurden Aktenkopien sogar per Post zugeschickt. Auch aus den anderen Bundesländern heißt es, sofern es noch brauchbare Akten gibt, werde Akteneinsicht ermöglicht.
Das abgewiesene 51-Jährige Ex-Heimkind ist übrigens längst so verärgert, dass es das Land Salzburg auf jeden Fall klagen will.