Jugendtheater ganz anders

"Alles ganz anders" heißt ein Theaterstück des Kärntners Martin Mittersteiner, das sich mit dem schwierigen Prozess des Erwachsenwerdens und den Problemen am Beginn der Pubertät auseinandersetzt. Humorvoll erzählt es die Geschichte zweier Heranwachsender und greift dabei vor allem Fragen nach der sexuellen und kulturellen Identität auf.

2012 wurde Mittersteiner dafür mit dem Jungwild-Förderpreis für junges Theater ausgezeichnet. Gestern Abend feierte "Alles ganz anders" seine Wien-Premiere im "Dschungel", dem Theaterhaus für junges Publikum

Plakat Halb Mann, llab Frau

(c) Dschungel Wien

Kulturjournal, 14.06.2013

Die Crux des Erwachsenwerdens

Ein Stück über die Pubertät aus der Perspektive eines Erwachsenen zu schreiben ist ein Unterfangen von zumeist zweifelhaftem Erfolg. Bei Martin Mittersteiner allerdings ist buchstäblich "alles ganz anders". Die Vorlage für sein Stück schrieb er bereits im Alter von 12 Jahren und griff nun darauf zurück, um aus dem einstigen Romanfragment eine Dramatisierung für junges Publikum zu machen.
Was den 12-jährigen Mittersteiner damals beschäftigte, scheint auch die Anliegen heutiger Jugendlicher auszudrücken, wie an der Begeisterung des Wiener Premierenpublikums spürbar war.

Ein Tag im Körper des anderen Geschlechts

Elli und Markus, gespielt von Michaela Bilgeri und Johannes Scheutz, sind zu schüchtern, um sich gegenseitig ihre Zuneigung zu gestehen. Eines Morgens wachen sie just im Körper des jeweils anderen auf. Einen ganzen Tag lang können sie so sein bzw. ihr Denken und Tun miterleben und -fühlen. Zentrales Thema ist dabei das Erwachsenwerden und die damit verbundene Suche nach der eigenen Identität. Es geht um Fragen der Sexualität, um das Wohlfühlen im eigenen Körper und um den ständigen Vergleich mit anderen, zum Beispiel beim Umziehen vor dem Turnunterricht.

Sex statt Gender

Kritische Fragen nach gesellschaftlichen Rollenbildern und Verhaltensmustern von Mann und Frau finden im Stück kaum Platz. Im Vordergrund stehen die körperlichen Veränderungen und die Unsicherheiten der Jugendlichen im Umgang damit. Daneben kreist das Stück thematisch auch um kulturelle Identität, Zugehörigkeit und Ausgrenzung. Ellis Mutter kommt aus dem Kosovo, während die Tochter lieber Österreicherin sein will und sich weigert, die Sprache der Mutter zu sprechen oder sie überhaupt zu verstehen.

Rasante Inszenierung

Kein Bühnenbild, keine Multimediaeffekte, keine Musik und nur wenige einfache Requisiten. Die rasante Inszenierung mit zahlreichen Szenen- und Rollenwechseln setzt ganz auf die pfiffigen Dialoge und auf die großartige Leistung der beiden Darsteller.
Bilgeri und Scheutz spielen Mütter, beste Schulfreundinnen und Freunde und zwischendurch immer wieder sich selbst als Gast im Körper des jeweils anderen.

"Alles ganz anders" ist ein Stück über Identitätsfindung und Empathie, über die Suche nach sich selbst und den Platz in der Gesellschaft. Aus der Erwachsenen-Perspektive kratzt es an manchen Stellen thematisch zu sehr an der Oberfläche. Beim jugendlichen Premierenpublikum hingegen erntete die Inszenierung begeisterten Applaus.

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Dschungel Wien - Alles ganz anders