Thomas Stangl "Regeln des Tanzes"

Von den vier österreichischen Autoren, die es heuer auf die Longlist für den Deutschen Buchpreis geschafft haben, ist er der Unbekannteste. Und das, obwohl der 47-jährige Wiener Thomas Stangl mit seinem jüngsten Buch "Regeln des Tanzes", das jetzt bei Droschl erscheint, schon seinen vierten Roman vorlegt und mehrfach ausgezeichnet wurde.

Mittagsjournal, 27.8.2013

Thomas Stangl hat es schwer. Seine Bücher werden von den Kritikern in den Himmel gelobt, bei jeder Gelegenheit mit Preisen überhäuft, und von der breiten Leserschaft ignoriert. Der Autor mit dem Allerweltsnamen, der rein optisch mit seinem wilden Lockenkopf und dem alternden Bubengesicht zur Kultfigur taugen könnte, ist sich dessen durchaus bewusst. Er meint, dass "es komplexere Literatur nicht leicht, hat zu einem großen Publikum zu finden".

Komplex sind Thomas Stangls Textgebilde, kompliziert und heraufordernd. Immerhin hat er sein Philosophiestudium mit einer Arbeit über dekonstruktive Literaturtheorie abgeschlossen. 2004 legte er mit "Der einzige Ort" seinen ersten Roman vor, dem zwei weitere folgten. Der neue Roman "Regeln des Tanzes" spielt vor dem Hintergrund der Schwarz-Blauen Wende im Jahr 2000.

"Widerstand" wird auf den Straßen gerufen- die Donnerstagsdemonstrationen ziehen durch Wien, am Heldenplatz werden Protestreden abgehalten und Plakate fordern "Freiheit für Schubhäftlinge - Schubhaft für Freiheitliche". Ein Ausnahmezustand in der österreichischen Geschichte, meint Thomas Stangl. Vor diesem Szenario agieren die drei Hauptfiguren, deren Geschichten ineinander fließen. Da sind die zwei Schwestern Mona und Andrea, die mit ihrem familiären Trauma kämpfen und ganz unterschiedlich, aber sehr extrem auf die politische Wende reagieren, und Dr. Walter Steiner, der 15 Jahre später im Spalt einer Hausmauer zwei Filmrollen entdeckt, die ihn auf die geheimnisvolle Spur der beiden Schwestern bringt.

Risse in der Zeit, Grenzen der Persönlichkeit, Zwischenräume, Schnittstellen und Übergänge - dort ist Thomas Stangl zuhause. Der Tanz im Titel des neuen Romans steht als Metapher für Kunst im Allgemeinen, denn Kunst sei eine Ersatzwirklichkeit. Für ihn sei es schwierig, so Stangl, über das Schreiben zu sprechen: "Ich hab bei Interviews das Problem, dass ich das, was ich sagen will, schon geschrieben hab."

Eines ist sicher - es lohnt sich auf alle Fälle, Thomas Stangls Bildern zu folgen und sich ein wenig emporheben zu lassen in seine abgehobene Gedankenwelt. Vielleicht dienen ja Einrichtungen wie Long- und Shortlists von Buchpreisen gerade dazu, ein größeres Publikum auf Bücher aufmerksam zu machen, die es nach den Regeln des Marktes etwas schwerer haben.

Thomas Stangls Roman "Regeln des Tanzes" ist im Droschl Verlag erschienen.