"Im Journal zu Gast"

Harnoncourt: Kritik an Salzburger Festspielen

Dirigent Nikolaus Harnoncourt, selbst geschätzter Teilnehmer der Salzburger Festspiele, übt in letzter Zeit heftige Kritik an dem Festival. Vor allem bezeichnet er die Suche nach einem neuen Intendanten in Salzburg als dilettantisch, wie er auch im Ö1-Interview "Im Journal zu Gast" bekräftigt. Er spricht aber auch über seine Frau, über Politik, die fehlende Phantasie bei der Ausbildung der Kinder und über die Auswüchse des Materiellen.

Nikolaus Harnoncourt

(c) Neubauer, APA

Mittagsjournal, 31.8.2013

Nikolaus Harnoncourt "Im Journal zu Gast" bei Michael Csoklich

Kunst und politisches Denken

Harnoncourt kritisiert die Suche nach einem neuen Intendanten für die Salzburger Festspiele, wie er auch schon in einem Leserbrief zum Ausdruck gebracht hat. Ihn stört daran besonders, "dass die Suchenden von der Sache überhaupt nichts verstehen. Wie kann man einen Kunst-Intendanten suchen, wenn man von dieser Kunst selbst nichts versteht?" Früher habe man eine "Findungskommission" eingerichtet, aber jetzt seien das von Politikern oder von Ministerien ausgewählte Leute, "und die Resultate, die die produzieren, sind fürchterlich." Außerdem schreibt Harnoncourt in seinem Leserbrief von einer "schwer durchschaubaren, sehr verflochtenen Personengruppe, die das Sagen hat". Konkrete Namen und Personen will er im Interview nicht benennen, weil er sich damit "sehr unangenehmen Folgen aussetzen" würde. Lösungen kann er aber auch nicht anbieten. "Kunst ist nie politikfrei", so Harnoncourt. "Aber der aktuellen Politik eines Landes darf die Kunst nicht dienen."

Selbst betrachtet sich Harnoncourt ebenfalls als politischer, aber nicht parteipolitischer Mensch. "Ich kann gar nicht anders als politisch denken, weil das unser Leben und die Zukunft unserer Kinder bestimmt. Aber die Art, wie politisches Denken verkommt, ist zum Weinen." Konsequenterweise interessiert sich Harnoncourt auch nicht für den Wahlkampf, der "vorhersehbar" sei. "Für den Wahlausgang muss ich mich wohl interessieren, aber mir wäre das anders lieber." Denn alles Wichtige komme nicht von Parteiprogrammen, sondern von Persönlichkeiten. Zudem vermisst er Streitkultur in Österreich.

Warnung vor "materialistischem Schreckenshaus"

Kritik übt Harnoncourt auch an der verbreiteten Art, Kinder auszubilden. Entwickelt werde ausschließlich das rationale, auf Logik basierende Denken, das aber mache den Menschen zu "hochentwickelten Gorillas". Der Mensch hingegen habe die Fähigkeit zu Phantasie und Poesie, "er kann etwas sagen, das überhaupt keinen Zweck hat." Für Harnoncourt geht es um "den Bereich des nicht Greifbaren, aber Wunderbaren. Ohne das wird das Ganze zu einem materialistischen Schreckenshaus." Eine Wurzel des Übels ist für Harnoncourt die Computertechnik, wo Kinder sehr früh viel fertiges Wissen erhielten.

Harnoncourt zu Optimisten:
"Natürlich mag ich Optimisten. Meine Frau ist Optimistin, und die mag ich. Aber Optimismus widerspricht meiner Lebenserfahrung."

Das "ärgste Verhängnis" für Harnoncourt:
"Die totale Hinwendung zum Materialismus." Die Kunst habe nicht versagt, weil die nicht versagen kann: "Die Kunst spiegelt die geistige Situation einer Zeit. Man muss leben in einer Atmosphäre, in der die Kunst einen Raum hat. Dann biegen sich die Kurven von selbst."

Zur brennenden Leidenschaft mit über 80:
"Ich denke, das Brennen müsste langsam ein bisschen milder werden. Aber ich bin wie ich bin. Ich werde eh gedämpft von meiner Umgebung."

Harnoncourts Zukunftsprojekt:
"Auf den Gebiet des Schnitzens, der Holzbildhauerei, will ich noch Einiges machen. Aber da weiß ich nicht, ob meine Finger mitmachen." Das Musikalische "ist vorbei". Zufrieden sei er damit nicht, weil er nie zufrieden sei. "Zufrieden kann man nur im Grab sein."