Secondhand-Zeit

Die Weißrussin Swetlana Alexijewitsch ist als Kritikerin des Regimes von Alexander Lukaschenko immer wieder Repressionen ausgesetzt. Im Oktober wird Sie bei der Frankfurter Buchmesse mit dem renommierten Friedenspreis des deutschen Buchhandels ausgezeichnet, heute Abend präsentiert sie beim "Internationalen Literaturfestival" in Berlin ihr neues Buch "Secondhand-Zeit" über das Leben im ehemaligen Sowjet-Imperium.

Mittagsjournal, 10.9.2013

Trümmer des Sozialismus

Das rote Imperium ist zerbrochen, aber was ist aus den „sowjetischen Menschen“ geworden? Swetlana Alexijewitsch lässt sie erzählen. Vom Leben seit dem Umbruch, von einem Leben auf den Trümmern des Sozialismus. Das neue Leben, auf das in den 90er Jahren alle gehofft haben, sei nicht gekommen, "Stattdessen sind wir wieder zur Vergangenheit zurückgekehrt: das Politbüro mit Putin an der Spitze, wir haben dieselbe Hymne, wir haben dieselben Gedanken", sagt Swetlana Alexijewitsch. Alles, was wir schon hatten sei wieder da, "es ist secondhand".

Prosa der Menschenforscherin

"Secondhand-Zeit" heißt auch das neue Buch von Swetlana Alexijewitsch. Seit über 30 Jahren arbeitet sie an ihrer „Chronik des Roten Imperiums“. Sie hat über das Leid der russischen Frauen und Kinder im Zweiten Weltkrieg geschrieben, über die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl oder auch über den Krieg in Afghanistan - auf Basis von hunderten von Interviews, die sie zu einer eindringlichen Prosa verdichtet. „Ich sehe die Welt mit den Augen der Menschenforscherin, nicht mit denen eines Historikers. Ich bestaune den Menschen“, erklärt Swetlana Alexijewitsch.

Repressionen in Weißrussland

Repressionen des Lukaschenko-Regimes hat die Weißrussin Swetlana Alexijewitsch immer wieder auch am eigenen Leib erfahren. Ihre vielfach ausgezeichneten und in 30 Sprachen übersetzten Werke können seit 1994 nicht mehr in ihrer Heimat erscheinen - seit Lukaschenko an der Macht ist. "Seit bekannt geworden ist, dass ich den Friedenspreis bekomme, ist meine Website blockiert." Die Auszeichnung sei aber eine große Anerkennung, nicht nur für sie, sondern auch für alle Widerstandkämpfer, die im Gefängnis sitzen. "Die Diktatur ist frech und stark und jede Hilfe von außen ist willkommen", sagt die Autorin.

"Am Tropf von Russland"

Wenig Hoffnung setzt Swetlana Alexijewitsch auf die europäische Politik. Und auch vom geplanten EU-Osteuropa-Gipfel im November in Vilnius, bei dem Weißrussland ein großes Thema sein wird, erwartet sie nichts. "Solange Belarus am Tropf von Russland hängt, wird es keinen Ausweg geben. In Russland haben sie zwar auch mittlerweile die Nase voll von Lukaschenko, sie sagen er ist ein Hundesohn, aber er ist eben unser Hundesohn."

Swetlana Alexijewitsch: "Secondhand-Zeit: Leben auf den Trümmern des Sozialismus". Erschienen ist das Buch im Hanser Verlag.

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