9/11-Jahrestag: Immer mehr Diskriminierung

Zwölf Jahre nach dem 11. September leiden Amerikas Muslime immer noch unter dem Misstrauen und der Ablehnung, die sie in den USA zu spüren bekommen. Keine andere Gruppe in den USA hat mit derartigen Imageschäden zu kämpfen, wie jene mit arabischen Wurzeln. Vor allem die Jungen Muslime in den USA tun sich schwer.

Morgenjournal, 11.9.2013

Muslime leiden unter Konsequenzen

Es ist Freitagmittag in Bay Ridge, Brooklyn, nahe New York City und der Muezzin ruft zum Gebet. Vor der kleinen Moschee auf der 5th Avenue tummeln sich Männer, Frauen und Kinder, es sind so viele, dass auf dem Gehsteig Teppiche ausgerollt werden müssen, damit alle Betenden Platz haben

Bay Ridge, ein bunter Bezirk mit libanesischen Gemüseläden und ägyptischen Cafes, ist die drittgrößte arabisch-amerikanische Gemeinde in den USA. Hier leben 35.000 Menschen mit arabischen Wurzeln. Nur wenige Minuten entfernt von Manhattan, von dort, wo einst das World Trade Center stand. Doch während sich die USA langsam von diesem nationalen Trauma erholen, leiden arabischstämmige und muslimische Amerikaner nach wie vor unter den Konsequenzen.

"Wir werden kriminalisiert"

"Seit 9/11 leben wir in einer der feindseligsten Umgebungen in den USA", sagt die 28-jährige Faiza Ali von der Bürgerrechtsorganisation Arab American Association in Bay Ridge. "Wir leben in einer Stadt, die uns dafür kriminalisiert, wer wir sind und an was wir glauben", so Ali.

Ali erfährt das am eigenen Leib. Immer wieder wird sie auf offener Straße attackiert und beschimpft. Ihr Kopftuch, sagt sie, trägt sie mittlerweile nicht nur aus Glaubensgründen, sondern auch als Schutz. "Viele von uns sind eingeschüchtert, und haben sich zurückgezogen. Wir trauen uns nicht mehr, über Religion zu reden, oder über Politik. Unsere Eltern sagen uns: Pass auf was du sagst, jemand könnte es falsch verstehen. Das führt zu Misstrauen und es hindert viele daran, frei zu sprechen", sagte Ali.

Moscheen angezündet und verwüstet

Tatsächlich ist die Zahl der religiös motivierten Gewaltverbrechen in den USA in den vergangenen zwölf Jahren drastisch gestiegen. Vor 2001 registrierte das FBI pro Jahr durchschnittlich zehn Angriffe gegen Muslime, jetzt sind es zwischen 250 und 500. Männer und Frauen werden auf offener Straße verprügelt, Moscheen werden verwüstet oder angezündet.

"Seit 9/11 ist nichts mehr so wie vorher", erzählt Hassan, gebürtiger New Yorker mit ägyptischen Wurzeln. "Ich erinnere mich noch genau an diesen Tag: Ich saß in einem Restaurant und ein Mann kam herein und er sagte: Wenn ich einen Araber sehe dann töte ich ihn", erzählt Hassan. Angst habe er keine, aber er sei enttäuscht, und wütend, so Hasan. "Wissen Sie, wie das ist, wenn Sie mit ihrer Mutter, die ein Kopftuch trägt, im Auto sitzen. Und Sie kommen an eine rote Ampel, jemand hält neben Ihnen an und spuckt auf den Boden? Das ist nicht schön. Das haben wir nicht verdient.“

"Situation wird immer schlimmer"

Die Situation werde mit jedem Jahr schlimmer, erzählt Hassan. Die jüngsten Umfragen der Washington Post geben ihm recht. Laut denen hat fast jeder zweite US-Amerikaner eine negative Einstellung gegenüber Muslimen. "Die Feinseligkeit, die Vorurteile, die Schubladisierung wird immer schlimmer", sagt der Schriftsteller Moustafa Bayoumi.

Die Regierung und die Behörden bekämpften dieses Problem nur halbherzig. "Zwar gibt es einige Sozialprojekte auf Kommunalebene. Gleichzeitig wissen wir aber, dass die New Yorker Polizei die muslimische Gemeinde besonders intensiv überwacht und bespitzelt", so Bayoumi. Im Grund stelle sie alle Muslime der Stadt unter Generalterrorverdacht, dann sende das ein viel stärkeres Signal aus.

Ein Signal, das auf jeden Fall eines nicht vorsieht: Versöhnung und ein friedliches Miteinander. "Wir spüren und sehen den Hass der Menschen hier", sagt der Zein Rimawi, einer der Mitarbeiter der Moschee in Bay Ridge. "Sie verstehen nicht, dass diese 19 Flugzeugentführer nichts mit uns zu tun haben. Jede Kultur hat schlechte und gute Menschen. Aber sind deshalb alle Muslime gleich? Nein."