"Passionswege" bei der Vienna Design Week

Die Vienna Design Week holt jedes Jahr internationale Designer nach Wien, um hier auszustellen, Projekte zu präsentieren oder um mit örtlichen Handwerksbetrieben zusammen zu arbeiten. Im Rahmen der "Passionswege" können Besucherinnen die Betriebe besuchen und Resultate der Kooperationen betrachten.

Mit dem Glasproduzenten Lobmeyer etwa hat ein schweizerisch-französisches Duo einen mit Lollipops behangenen Luster gebaut. Und ein junger österreichischer Designer hat für die Lampenschirm-Manufaktur Donauer eine experimentelle Lampenserie mit LEDs entworfen.

Kulturjournal, 02.10.2013

Geprägte Monogramme

Den Familienbetrieb "Zur Schwäbischen Jungfrau" gibt es seit fast 300 Jahren. Hier werden - in Handarbeit - Initialen und Monogramme auf Stoffservietten, hochwertige Bettwäsche und maßgeschnittene Tischtücher appliziert. In dem betulich eingerichteten, auf Tradition ausgerichteten Geschäft am Graben würde man einen aufstrebenden Designer wie Sebastian Herkner nicht unbedingt erwarten. "Das ist so eine ganz spezielle Welt", meint Herkner.

Herkner betreibt in Offenbach am Main ein Design-Studio und zählt zu den Jungstars der Branche. Auf Einladung der Vienna Design Week hat er für die "Schwäbische Jungfrau" eine einfache Methode entwickelt, mit der mit Hitze und Druck Buchstaben in Stoff geprägt werden. Anders als gestickte Initialen, verschwinden diese geprägten Buchstaben beim nächsten Waschgang wieder - vielleicht auch ein Hinweis auf die Vergänglichkeit von Haushaltstextilien, die nicht mehr über Generationen weitergereicht werden.

New Biedermeier

Gleich ums Eck in einem Biedermeier-Haus am Bauernmarkt 1 präsentiert eine tschechische Design-Galerie ihre "New Biedermeier"-Kollektion. Diese besteht aus Lustern, Schmuck und Möbelstücken, die Stilelemente des Biedermeier interpretieren und zum Teil ironisch verdrehen. Eine Raubtier-Skulptur aus Porzellan etwa hat Einschuss-Löcher, und ein blauweißes Tafelservice ist mit Flecken aus Blattgold veredelt.

Besonders sehenswert ist die Sammlung zeitgenössischer Vasen, etwa jene von Maxim Velcovsky, der aus der Lücke zwischen nebeneinander gestellten Vasen eine Form gegossen hat. An deren Außenseite sind die negativen Muster der alten Exemplare abgedruckt - die Vase besteht aus der Abwesenheit der anderen Modelle.

In Tschechien wird die Tradition der Glasproduktion derzeit von jungen Designern wieder entdeckt, erzählt Silvie Lubenova von der Prager Krehky Galerie. Das gibt auch den wenigen noch praktizierenden Handwerkern einen Aufschwung.

Zufallsprodukte

In der Festivalzentrale der Vienna Design Week, einer ehemaligen Schule in der Argentinierstraße in Wien-Wieden, präsentiert der britische Designer Oscar Wanless die Resultate seiner Kooperation mit der Firma Riess in einer kaffeehaus-ähnlichen Installation. Tische, Sessel und Geschirr hat Wanless aus Email anfertigen lassen.

Email sei im Grunde gepresstes Metall mit einer Keramiklasur, sagt Oscar Wanless. Neben Töpfen und Pfannen stellt Riess aus Email auch Verkehrsschilder für Wien und Arizona her. Die Technologien für die Herstellung runder Objekte und flacher, eckiger Objekte, hat Wanless - mithilfe der Belegschaft - kombiniert. Herausgekommen sind etwa Schüsseln, deren Rand sich auf unvorhersehbare Weise kräuselt. Die Handwerker seien überrascht gewesen, dass dem jungen Designer diese Zufallsprodukte gefallen. Die Firma Riess hat ihr altbackenes Image in den letzten Jahren abstreifen können, wozu sicher auch die Zusammenarbeit mit jungen, innovativen Designern beiträgt.

Alte Fertigungsweisen für junges Design

Es gibt einige solcher Erfolgsgeschichten, die unter anderem der Initiative der Vienna Design Week zuzuschreiben sind. Es gehe jedoch nicht nur darum, Wiener Traditionsunternehmen auf dem internationalen Markt zu positionieren, sagt Tulga Beyerle. Sie ist gemeinsam mit Lilli Hollein Gründerin und Leiterin des Festivals.

Die Passionswege geben Anlass, Handwerksbetriebe und Geschäfte zu besuchen, die man sonst - im Konsum-Überangebot - übersehen könnte. Im Vordergrund steht jedoch die Arbeit der jungen Designer/innen aus dem In- und Ausland, die alte Fertigungsweisen und überholte Materialien für sich entdecken.

Die Passionswege sind ein Programmteil des Festivals Vienna Design Week, das noch bis Sonntag in Wien läuft. Wer sich nicht alleine auf den Weg machen will, kann einen geführten Rundgang mitmachen - morgen Nachmittag etwa ist der 4. Bezirk an der Reihe. Dort, in der Argentinierstraße 11, befindet sich übrigens auch die Festivalzentrale der Vienna Design Week.