John Cale im Interview

Gestern Abend hat es in Wien das einzige Europakonzert von John Cale gegeben. Der walisische Star-Musiker John Cale hat anlässlich der Ausstellungseröffnung von "Warhol / Basquiat" im Bank Austria Kunstforum gespielt.

Wolfgang Popp: John Cale, von Andy Warhols mitreißende Energie und sein Charisma schwärmten viele seiner Zeitgenossen. Auf welche Weise hat er Sie und The Velvet Underground denn unterstützt?
John Cale: Wir sind damals ganz New York abgelaufen und haben versucht, auf uns und unsere Musik aufmerksam zu machen. Wir waren aber nicht unbedingt gut darin, uns zu vermarkten. Doch als wir Andy trafen, haben wir uns gleich auf eine Art adoptiert gefühlt und als er uns in die Factory holte, war die wie eine neue Heimat für uns. Wir passten nicht nur intellektuell und charakterlich gut dorthin, es schien auch jeder dort zu verstehen, was wir machten und wir genossen diese plötzliche Wertschätzung von allen Seiten. Und vor allem Andy wusste immer ganz genau, worauf wir hinauswollten.

Wie genau konnte Andy Warhol als bildender Künstler sie als Musiker beeinflussen?
Als Kreativer hatte er einfach die nötige Sensibilität, um zu wissen worauf es uns ankam und er gab uns immer wieder die richtigen Tipps. Bei einem Lied, meinte er etwa, vergesst nicht, die Schimpfwörter wieder in den Text hineinzunehmen.

Wie war das eigentlich mit der legendären Banane auf dem Cover des Velvet-Underground-Albums. Hatte Andy Warhol die Idee schon von Anfang an oder kam ihm die spontan, nachdem das Album fertig war?
Die Idee mit der Banane hatte Andy erst nach Fertigstellung des Albums. Er ging damals alle zwei Wochen zum Arzt und dort im Wartezimmer blätterte er immer die Magazine durch und riss die Werbungen heraus, die ihm gefielen. Die Pharma-Unternehmen hatten eine Menge Geld und dementsprechend glamourös waren die Werbeanzeigen. Und eines Tages kam Andy wieder mit einem Stapel herausgerissener Seiten vom Arzt zurück und zog plötzlich das Bild mit der Banane hervor. Es war die Werbung für eine Vitaminpille und es ging darum, dass die Pille alle Vitamine enthält, die auch in einer Banane zu finden sind. Die Banane war in einem satten Gelb gemalt, also in einer typischen Andy-Warhol-Farbe und ich dachte nur, das ist zu schön, um wahr zu sein.

In Filmen wird das Treiben in der Factory meist als eine einzige ausschweifende Party dargestellt. Auf dem Album "Songs for Drella", mit dem Sie und Lou Reed Andy Warhol nach dessen Tod ein Denkmal gesetzt haben, erzählen sie aber davon, wie wichtig Disziplin in der Factory war?
Alles dort drehte sich um Disziplin. Jeder arbeitete hart. Gerard Malanga kroch auf allen vieren am Boden herum und arbeitete an den neuesten Siebdrucken und jeder, der so etwas schon einmal gemacht hat, weiß wie schwierig und zeitaufwendig das ist. Aber so hart wir arbeiteten, so viel Spaß machte die Sache auch. Mehr Spaß hätten wir anders gar nicht haben können.

Drella war ein Spitzname von Andy Warhol. Woher kam der?
Jeder nannte Andy "Drella", weil er regelmäßig diese Cinderella-Abende organisierte. Das waren große gemeinsame Abendessen, zu denen jeder, der konnte, etwas mitbrachte. Und für viele völlig mittellose Künstler war das die einzige Gelegenheit, sich wieder einmal satt zu essen.

Wie war das Verhältnis zwischen Andy Warhol und Basquiat. Warhol konnte ja sehr vereinnahmend sein, mit Basquiat schien er aber ein Gegenüber gefunden zu haben, das ihm das Wasser reichen konnte.
Ich habe die Factory genau in der Zeit verlassen, als die beiden ihre Zusammenarbeit begannen. Aber ich hielt das gleich für eine großartige Idee. Andy hat immer die Regeln gebrochen und eine der unausgesprochenen Regeln der Kunstwelt lautete damals, niemals im Kollektiv zu arbeiten. Individualität wurde groß geschrieben und jede Zusammenarbeit barg das Risiko nur als Nummer Zwei gehandelt zu werden. Das war in der Kollaboration mit Basquiat aber nie der Fall.

Sind Sie nach ihrem Abschied von der Factory noch einmal zurückgekehrt in Andy Warhols legendäres Studio?
Eines der letzten Bilder, das ich von der Factory im Kopf habe, ist Andy beim Training mit seinem Fitness-Coach. Kurz darauf zog die Factory dann ja um nach Downtown Manhattan. Ungefähr zwei Jahre danach, habe ich aber noch einmal vorbeigeschaut an der alten Adresse. Irgendein Unternehmen war in die Räumlichkeiten eingezogen und sie waren nicht wiederzuerkennen. In einem Hinterzimmer entdeckte ich aber an der Wand noch einige Kritzeleien. Andy hatte da notiert, welche Gewichte er bei seinem letzten Training gestemmt hatte.

Sie arbeiten derzeit an einem neuen Album. Können Sie schon etwas darüber verraten?
Es geht in eine ähnliche Richtung wie mein letztes Jahr erschienenes Album "Shifty Adventures in Nookie Wood". Was die Rhythmik betrifft, gehe ich da einen ganz ähnlichen Weg. Bis Mitte nächsten Jahres werden da einige interessante Stücke zusammenkommen.

Formal wird es also wieder sehr rhythmusbetont, wohin soll es inhaltlich gehen?
Wenn ich an einem Album arbeite, kommt das Konzept immer am Schluss. Ich schreibe eine Menge Songs, suche mir dann die besten heraus und wenn ich die dann beisammen habe, überlege ich, was diese Stücke verbindet. Der Albumtitel kommt also erst in der Zusammenschau der einzelnen Songs.

Haben Sie das Arbeitsethos der Factory übernommen? Sind Sie ein Musiker, der sehr diszipliniert arbeitet?
Ich gehe jeden Tag um elf ins Studio, nachdem ich im Fitness-Center meine Trainingseinheit abgeschlossen habe. Um vier Uhr gehe ich dann noch einmal trainieren. Das Fitness-Center rettet mir oft den Tag. Oft, wenn ich nicht mehr weiterweiß, bekomme ich genau dort die Ablenkung, die ich brauche. Oft ist es genau dieser Ortswechsel, der mich wieder auf Spur bringt.

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