Last Supper

Seit fast einem Jahr protestieren Asylsuchende in Wien gegen ihre drohende Abschiebung und machen auf das Schicksal nach Österreich gekommener Flüchtlinge aufmerksam. Die Wiener Künstlerin Sini Coreth hat vergangene Woche in der Mariahilferstraße eine Performance mit dem Titel "Last Supper" veranstaltet. Ziel war es, Asylsuchende und Passanten in der Einkaufsstraße an einem Tisch zu versammeln.

Es herrscht hektisches Treiben an diesem Samstagnachmittag in der größten Einkaufsstraße Wiens. Mitten auf der Mariahilfer Straße, jenem Abschnitt, der vor wenigen Wochen zur Fußgängerzone erklärt wurde, steht ein langer Tisch. An jedem Platz finden sich, wie bei einer Hochzeitstafel, Namenskärtchen. Nissar Ali, Mear Javeed oder Ali Nawab steht darauf - Namen von Asylsuchenden, die täglich mit der Angst vor der Abschiebung leben müssen, aber auch von bereits Abgeschobenen, deren Schicksal ungewiss ist.

Ich komme mit Sayed Mohammed Mustafa ins Gespräch: Er hat eine Spiegelreflexkamera in der Hand und macht von der Performance "Last Supper" immer wieder Fotos. Er sei leidenschaftlicher Fotograf und habe schon zwei Ausstellungen in Wien gemacht, erklärt Sayed.

Doch arbeiten darf er hier ebenso wenig wie alle anderen Asylsuchenden. Vor zwei Jahren ist er in Österreich angekommen; aus seiner Heimat Pakistan musste der schiitische Muslim fliehen, weil er und seine Familie von den Taliban bedroht wurden.

Er gebe oft Interviews, in denen er die Taliban und bestimmte pakistanische Politiker kritisiere, sagt Sayed. Im Falle einer Abschiebung würde man ihn am Flughafen in Islamabad sofort verhaften. Während seine Familie glauben würde, er sei in Österreich sicher, würde er im Gefängnis hingerichtet werden.

Wie Tiere behandelt

Bei einem Teller Humus und Falafel erzählen Sayed und andere Asylsuchende von ihrer Angst, aber auch von ihrer wachsenden Wut gegenüber der österreichischen Gesellschaft.

Er und seine Freunde würden wie Tiere behandelt, klagt Mohammed Atef. Der Pakistani hat bereits einen negativen Asylbescheid erhalten, gegen den er berufen hat. Nun ist er im Besitz einer sogenannten Green Card und darf sich nur in einem Umkreis von zwölf Kilometern bewegen.

Derzeit kämpfen die Flüchtlinge der Votivkirche um ein neues, gemeinsames Quartier, nachdem sie das Servitenkloster vergangene Woche räumen mussten. Für einige Tage waren sie jetzt in der Akademie der bildenden Künste, aber auch dort dürfen sie nicht bleiben.

Warum könne sich die Akademie nicht mit den Flüchtlingen solidarisieren, fragt der junge Marokkaner Sallahedin Najah: "Zumindest einen Monat könne sie den Flüchtlingen doch gestatten zu bleiben, damit es dort Diskussionen geben kann, vielleicht sogar mit der Innenministerin, fordert Najah. Solle er etwa ewig weiterkämpfen, bis man ihn einsperre?"

Einen Spiegel vorhalten

Da die Flüchtlinge der Votivkirche an diesem Samstagnachmittag beraten, wie es weitergehen soll, konnten auch nicht so viele wie vorgesehen zur Kunstperformance "Last Supper" auf die Mariahilfer Straße kommen. Die Wiener Künstlerin Sini Coreth hofft dennoch, dass sie mit der Aktion etwas bewirken kann.

Einige wenige wollen doch, wie man an den Gesprächsgrüppchen, die sich bilden, erkennen kann. In ihrer Performance will Sini Coreth den Österreichern auch ein wenig den Spiegel vorhalten: Wer hier vorbeikommt, ist eingeladen, mit einer aufgestellten Kamera sein eigenes Spiegelbild zu fotografieren und sich in dem Setting somit selbst zu betrachten.

Schon im Vorfeld hat Coreth im Servitenkloster Interviews mit Asylwerbern gemacht; die Videos sind bis Ende des Jahres an verschiedenen öffentlichen Plätzen zu sehen, so etwa in zwei Schaufenstern hinter dem Servitenkloster.

Als Frau des verstorbenen Diplomaten Clemens Coreth hat Sini Coreth verschiedenste Kulturen kennengelernt und befasst sich in ihren Fotografien und Videoinstallationen mit dem "Anderen", wie sie sagt. Nun will sie die österreichische Gesellschaft für jene "Anderen" sensibilisieren, die - oft vergeblich - hier Schutz suchen.

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