75 Jahre Novemberpogrome: Rolle der Medien

Heute vor 75 Jahren fanden im Deutschen Reich und damit auch auf dem Gebiet des heutigen Österreich die Novemberpogrome statt. Synagogen, Geschäfte und Wohnungen von Juden wurden zerstört, Juden wurden von den Nazis gedemütigt, verhaftet und ermordet. Es war der Auftakt zur späteren Judenvernichtung, gerade im heutigen Österreich war der Terror besonders schlimm. Die Medien spielten dabei eine sehr große Rolle.

Morgenjournal, 9.11.2013

"Medien ganz bedeutende Rolle"

Am 10. November 1938 nimmt der Radioreporter Eldon Walli einen Bericht auf. Er steht vor den Trümmern des Leopoldstädter Tempels, die Synagoge wurde in der Pogromnacht niedergebrannt. Im Lauf der Reportage verhöhnt der Reporter die Juden, gibt ihnen selbst Schuld am Pogrom, und freut sich hörbar über den Gewaltausbrauch. Für den Medienwissenschaftler Fritz Hausjell reiht sich das Tondokument ein in die Rolle der Medien damals.

Diese hatten zuvor schon intensiv gegen Juden gehetzt, Anlass bot der Anschlag gegen einen deutschen Diplomaten. "Die Medien spielen Anfang November 1938 eine ganz bedeutende Rolle, wenn man sich ansieht, wie mit Anweisungen - ganz detailliert - langsam der Erregungspegel hochgefahren worden ist", so Hausjell.

Österreichische Medien besonders hetzerisch

Medien waren im ganzen Reich gleichgeschaltet. Allerdings hätten sich die Journalisten der ehemaligen Ostmark beim Hetzen gegen die Juden besonders hervorgetan, erklärt Hausjell: "Es war für mich überraschend, dass jene österreichischen Medien, die im März 1938 nationalsozialistisch gleichgeschaltet worden sind, diese Gewalttaten teilweise erheblich heftiger antisemitisch angestachelt haben."

In der Nacht des 9. November wurden mehr als hundert Synagogen und Bethäuser in Wien, Linz, Klagenfurt, Innsbruck und anderen Orten niedergebrannt. Geschäfte und Wohnungen wurden geplündert und zerstört, Menschen schwer misshandelt und ermordet.

"Höheres Ausmaß an Radikalität"

Der Historiker Oliver Rathkolb sagt: "Der Hauptunterschied zwischen dem sogenannten Altreich und der Ostmark im Novemberpogrom 1938 liegt sicherlich im Ausmaß der Brutalität und Radikalität. Man merkt hier, dass sich hier offensichtlich aufgrund der Radikalisierung vor 1938, aufgrund auch dieses grassierenden, rabiaten Antisemitismus, etwas zusammengebraut hat, das dann total explodiert und eskaliert ist."

Im Zuge der Novemberpogrome wurden im Deutschen Reich rund 30.000 Juden in Konzentrationslager verschleppt, die Zahl der Ermordeten wird mit mindestens 90 bis zu mehreren hundert angegeben.