In Israel protestieren tausende Flüchtlinge

Seit drei Tagen ziehen afrikanische Demonstranten durch die Straßen von Tel Aviv. Die Israelis sind erschrocken über das Ausmaß des Problems, das da herangewachsen ist. Es handelt sich um Migranten, die illegal über Ägypten nach Israel gekommen sind. Sie verlangen jetzt lautstark politisches Asyl und protestieren gegen Festnahmen durch die Polizei und gegen ein Anhaltelager.

Mittagsjournal, 7.1.2014

"Wir sind Flüchtlinge, nicht Kriminelle"

Dass Israel ein verschlepptes Problem mit Migranten aus Afrika hat, ist seit Langem bekannt, aber jetzt ist es über die Migrantenslums hinaus so richtig sichtbar und fühlbar geworden. Die Afrikaner haben sich organisiert – heute ist der dritte Tag eines Streiks, den sie ausgerufen haben, in Tel Aviv gab es Demonstrationen mit vielleicht bis zu 20.000 Teilnehmern, auch vor ausländischen Botschaften. Wir verlangen von der israelischen Regierung unsere Rechte, sagt einer der Demonstranten: "Wir sind Flüchtlinge, nicht Kriminelle." Die Migranten fordern Anerkennung als politische Flüchtlinge, ordentliche Asylverfahren und einen Stopp der Festnahmen.

Flüchtlinge ohne Status und Arbeit

Aus der Sicht der israelischen Behörden sind die meisten Migranten Wirtschaftsflüchtlinge ohne Recht auf Asyl. Sie sollen nach und nach wieder heimgeschickt werden. Das Problem ist ja auch in Europa bekannt. Aber Israel ist von der Geographie her in einer besonderen Lage: Es ist der einzige entwickelte Staat mit einer Landverbindung zu Afrika. Über Ägypten sind über die letzten Jahre viele zehntausende Afrikaner eingesickert, größtenteils junge Männer aus Sudan und Eritrea. Israel hat sie zwar nicht zurückgeschickt, aber sich auch nicht weiter um sie gekümmert. Sie haben keinen rechtlichen Status, keine legale Arbeit, kaum medizinische Versorgung und es kommt immer wieder zu Reibereien mit der alteingesessenen Bevölkerung.

50.000 Afrikaner leben in Israel

Der Zustrom wurde inzwischen gestoppt. Es kommen keine Migranten mehr nach, weil ein Zaun an der Grenze zu Ägypten fertiggestellt wurde. Aber mehr als 50.000 Afrikaner leben schon in Israel und wollen vorläufig bleiben. Von der Zahl her ist das nicht zu verkraften, sagt die israelische Regierung, das würde den demographischen Charakter des Staates verändern. Zum Vergleich: Österreich hat genau so viele Einwohner wie Israel, aber in Österreich gibt es jährlich nur rund 15.000 Asylanträge, und nur rund ein Fünftel davon wird positiv erledigt.

Regierung bleibt unbeeindruckt

Die israelische Regierung hat nun in der Nähe der ägyptischen Grenze eine Art Anhaltelager für einige tausend Migranten eingerichtet. Sie bekommen dort eine Grundversorgung und dürfen es tagsüber verlassen, für sie ist es aber ein „Gefängnis“, weil sie auch gegen ihren Willen dort hingebracht werden können und sich jeden Abend zurückmelden müssen. Premier Benjamin Netanjahu zeigt sich von den Protesten unbeeindruckt: "Demonstrationen und Streiks werden nichts ändern. Wir sind entschlossen, jene wegzubringen, die illegal hergekommen sind, bevor wir die Grenze geschlossen haben."

Hotels und Restaurants von Streik betroffen

Interessanterweise melden sich jetzt auch israelische Hoteliers und Restaurantbesitzer. Sie leiden unter den Streiks, weil sie jetzt von afrikanischen Arbeitern abhängig sind, die sie illegal in der Küche oder für Reinigungsarbeiten beschäftigen. Aber von den Behörden heißt es, diese Betriebe seien die letzten, die sich beklagen sollten, denn sie würden die Migranten bloß mit Hungerlöhnen ausnützen.

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