Porträt Petra Cortright

Die Galerie von Steve Turner liegt vis-à-vis des L. A. County Museum am Wilshire Boulevard. Steve Turner vertritt vor allem junge Künstlerinnen und Künstler. Er ist stets auf der Suche nach neuen Talenten - in Südamerika, in Mexiko und natürlich auch in Los Angeles.

Vergangenen November zeigte Turner in seiner Galerie die erste Soloshow der 27-jährigen Petra Cortright. Sie ist eine perfekte Verkörperung dessen, wofür Kunst aus L. A. steht: Ihre Arbeiten sind schrill, jung und zeitgeistig.

Kulturjournal, 08.01.2013

  • Steve Turner

    "Jemand, der vor 20 Jahren an einer kalifornischen Kunsthochschule studiert hat, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit nach New York gezogen. Heute ist das anders. (...) Am Ende entscheidet – wie immer – das Wetter: Möchtest du Shorts tragen, oder einen Mantel?" (Steve Turner, Galerist aus Los Angeles)

    (c) Scheucher, ORF

  • Petra Cortright

    Das Internet, sagt Petra Cortright, sei für sie die ultimative Leinwand.

    (c) Scheucher, ORF

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"Die Netzkunst ist tot", schrieb Deutschlands Popkulturorgan "de:bug" 2011. Sie sei im Medien-Kunst-Ghetto verschwunden, hieß es weiter. Aus dem Blick der Öffentlichkeit und vor allem aus den Galerien verschwunden. In den 90er Jahren als die Netzkunst noch in ihren Kinderschuhen steckte, vertieften sich Künstler in Source-Codes und Programmiersprachen. Sie produzierten eine hermetische Kunst, die nur für Eingeweihte verständlich war.

Jetzt macht eine junge Künstlergeneration, die mit den digitalen Medien aufgewachsen ist, das Internet erneut zum Medium und Material ihrer Kunst und vorweg sei verraten: Die neue Netzkunst beschreitet zugänglichere Pfade. Denn die Netzkunst der Gegenwart interessiert sich weniger für die unverständlichen Codes, die unsichtbar hinter den Benutzeroberflächen ablaufen, sondern nimmt, fast unbedarft, man möchte sagen naiv, die Oberflächen des Computers in den Blick. You-Tube-Videos und Bildschirmschoner, Computergrafiken und Webanimationen. So wie die erst 27jährige Künstlerin Petra Cortright, deren Arbeiten bis vor kurzem in Steve Turners Galerie in Los Angeles zu sehen gewesen sind.

"Ich bin auf eine Gruppe von Künstlern aufmerksam geworden, Künstler zwischen 20 und Anfang Dreißig, die als Post-Internet-Künstler bezeichnet werden. Niemand kann den Namen leiden, aber er ist hängengeblieben. Gemeint sind Künstler, die mit dem Internet seit frühster Jugend vertraut sind. Ihre Arbeiten sind vom Internet inspiriert, werden im Internet veröffentlicht und rezipiert. Petra Cortright gehört zu dieser Künstlergruppe. Ihre Arbeiten sind sehr interessant und basieren auf Material, das online kostenlos findet", sagt Steve Turner.

Das Internet als ultimative Leinwand

Das Internet, sagt Petra Cortright, sei für sie die ultimative Leinwand. Auf dem Internet-Videoportal you-tube veröffentlicht Cortright zum Beispiel Videos, die sie mit Animationen aufpeppt. Meist setzt sich die Künstlerin selbst ins Bild. Viele dieser Videos sind allzu gefällig, ja banal. Doch, wenn man es gut mit ihr meint, können Cortrights Arbeiten auch als eine Art Neuinterpretation des künstlerischen Selbstporträts gedeutet werden. Wie stellen wir uns dar im Zeitalter der digitalen Vervielfältigung, und welche Bilder von uns kursieren in den unendlichen Weiten des Internets. Zur Aufnahme ihrer Videos verwendet Petra Cortright eine handelsübliche Webcam.

"Ich habe das erste Webcam-Video gemacht und online gestellt. Es gab viele Reaktionen darauf. Ein Kunstkritiker schrieb sogar eine Besprechung. Dann habe ich begonnen, mich mit der Software von Webcams auseinanderzusetzen, mit Effekten, die man damit erzeugen kann. Mein Zugang ist spielerisch. Manchmal reicht eine kleine Bewegung, oder der Lichteinfall ändert sich und schon hat man einen Effekt erzeugt, der perfekt ist", sagt Petra Cortright.

Selfie oder Die Welt der Selbstentblößung

In ihrem You Tube Video "I am a selfie" wirft sich eine stark geschminkte Petra Cortright im bauchfreien Shirt in verführerische Posen. Da spitzt sie die Lippen, da streckt sie die Brust in die Kamera, da lässt die den Blick gedankenverloren in die Ferne schweifen. Selfies, das sind üblicherweise mit einem Smartphone aufgenommene Selbstporträts, die gelernte Aufmerksamkeitsökonomen und Selbstdarsteller auf Facebook, Twitter und anderen Kanälen posten. Das renommierte Oxford Dictionary hat das Wort Selfie übrigens zum Wort des Jahres 2013 gemacht. Willkommen in der Welt der gnadenlosen Selbstentblößung. Auch was ihre Preispolitik anbelangt, folgt Petra Cortright der Logik des Internets. Die Idee ist Cortright bei ihrer ersten Ausstellung gekommen: "Ich hatte keinen Referenzpunkt. Mein Galerist fragte mich, wie viel ich für ein Video verlangen will und ich sagte "Ich habe keine Ahnung! 10 Cents pro YouTube Klick."

Eine erkleckliche Summe. Wenn man bedenkt, dass manche Videos von Petra Cortright, über 14 tausend Mal angesehen worden sind. Petra Cortright scheint in ihrer Person alles zu vereinen, was einen Kunststar von heute ausmacht: Sie ist jung, sieht gut aus und sie hat bereits gelernt, ihre Arbeit medienwirksam zu vermarkten. Eine ihrer Arbeiten lief im Filmprogramm der Frieze Art Fair in London, 2013 war die Nachwuchskünstlerin außerdem bei der Lyon Biennale vertreten.

Noch wirkt Petra Cortrights Kunst etwas unausgegoren. Doch wer weiß, vielleicht geht es ihr bald so wie dem nur ein paar Jahre älteren Videokünstler Ryan Trecartin. In seinen Arbeiten wird die schrille Welt des Entertainment, der Reality Starlets und gelernten Selbstdarsteller vorgeführt, ja mehr noch monströs überhöht. Nachwuchsstar Ryan Trecartin ist gerade dabei, von L.A. aus den Olymp der Kunstwelt zu erklimmen. Ob Petra Cortright Ähnliches gelingen wird? Man darf gespannt sein.