"Das Ding" im Theater Drachengasse

Das Theater Drachengasse macht durch eine geschickte Autoren- und Themenfindung immer wieder von sich reden, ob es eine Uraufführung von Joshua Sobol oder wie jetzt ein neues Stück von Philipp Löhle ist. Der junge deutsche Dramatiker feiert nämlich mit seinen absurd-komischen, gesellschaftskritischen Stücken seit Jahren Erfolge.

Szenenausschnitt aus "Das Ding"

(c) Andreas Friess

Seit Löhle mit seiner Komödie "Genannt Gospodin" 2007 den Werkstattpreis des Berliner Theatertreffens gewonnen hat, werden seine Stücke auf renommierten Bühnen im deutschsprachigen Raum gespielt - so etwa auch im Schauspielhaus Wien und eben jetzt im Theater Drachengasse. Ebendort hatte gestern Abend Löhles Stück "Das Ding" Premiere, eine Groteske, in der es - wie oft bei Löhle - um die Absurditäten der globalisierten, kapitalistischen Gesellschaft geht. 2011 wurde "Das Ding" im Deutschen Schauspielhaus Hamburg uraufgeführt, und erhielt den Publikumspreis der Mülheimer Stücke-Tage.

Kulturjournal, 14.01.2014

Die Geschichte der Globalisierung beginnt mit der Weltumseglung Ferdinand Magellans, und so stellt auch Philipp Löhle seinem Globalisierungsstück "Das Ding" einen Prolog voran, in dem der portugiesische Seefahrer seinen König davon zu überzeugen versucht, ihm eine Flotte zu überlassen - vergeblich, weswegen Magellan schließlich unter spanischer Flagge segelt.

Die Konsequenz für das 21. Jahrhundert heißt: globale Vernetzung. Alles hängt mit allem zusammen: Das Unglück eines afrikanischen Bauern mit dem Erfolg eines chinesischen Start-up-Unternehmens; der Sojabohnenhandel mit der rumänischen Schweinezucht, der Schweineengpass mit einer Ehekrise in Deutschland.

Philipp Löhles Stück über die Globalisierung ist keine moralische Abhandlung. Vielmehr hat der Autor den reizvollen Gedanken aufgegriffen: Was wäre, wenn tatsächlich alles mit allem zusammenhinge, und hat daraus eine Geschichte geschrieben, die einmal um die ganze Welt geht. Recht bald wird auch klar, was "Das Ding" eigentlich ist: eine Baumwollfaser, die in Südamerika nach biologischem Anbau gepflückt, in China zum T-Shirt verarbeitet und dann nach Europa verschifft wird, wo sie in ein ganzes Gewebe aus Handlungssträngen gerät.

Das Ding, nun Teil eines Fußballtrikots, gerät in den Besitz eines jungen Mannes. Weil dessen Fotografie vom Jugendzimmer seiner verstorbenen Schwester Julia schlagartig berühmt wird, schlägt er sich, anstatt Fußball zu spielen, mit dem Medien- und Kulturbetrieb herum. Seine andere Schwester Katrin lebt ihre exhibitionistische Ader im Internet aus, was eine handfeste Ehekrise auslöst. Der chinesische T-Shirt-Hersteller entdeckt Katrin im Internet, verliebt sich in sie und reist nach Deutschland - so nimmt das Schicksal seinen Lauf. Klingt verwirrend, ist es auch, doch Regisseurin Sandra Schüddekopf und die fünf Schauspieler setzen die Dialoge pointiert um und lassen jeden ihrer Charaktere plastisch erscheinen.

Dass die Schauspieler ständig sichtbar ihre Rollen wechseln, verleiht dem Abend zusätzliche Dynamik. Die ganze Welt wird auf die wenige Quadratmeter kleine Bühne der Drachengasse transferiert. Egal ob in Afrika, China oder Deutschland, alle reden gleich und schauen gleich aus. Als Requisiten dienen ein paar große Einkaufssäcke und ein regalartiges Gerüst an der Wand. Auf komödiantische Weise legt Philipp Löhle die Naivität frei, mit der Mitteleuropäer auf andere Kontinente blicken. Er liebe es, seine Figuren und das, was sie machen, ins Absurde zu drehen, sagt Löhle. Denn so könne er auch Stücke über große Themen schreiben, ohne dass es thesenhaft wirke.

Publikum und Kritiker konnte der 35-Jährige damit schon öfter überzeugen: In erfolgreichen Stücken wie "Genannt Gospodin" oder "Big Mitmache" wirken Aussteigertypen und linksextreme Terroristen ebenso absurd wie die Gesellschaft, die sie hervorbringt. Berechtigten Jubel erntete nun auch "Das Ding" und seine gelungene österreichische Erstaufführung.

Service

Ö1 Club-Mitglieder bekommen im Theater Drachengasse ermäßigten Eintritt.

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